ABSTIMMUNG: Wer hat den Gürtel? Januar 2022

Von meiner Seite gibt’s eigentlich kein Problem mit Sowjet Republik, woher auch, ich kenne das Spiel nur aus dem Trailer und habe mich gefragt ob es da ein Problem geben könnte.
Lustigerweise kam ich gedanklich von der Brutalismusdiskussion her und hatte darüber nachgedacht, ob die Betonbauten in dem Spiel eigentlich schon verrottet und verrostet gebaut werden, oder ob sie zumindest für ein paar Runden schick strahlen. Ich bin also weit davon entfernt, hier irgendwas konkret an dem Spiel zu kritisieren, deshalb sind wir jetzt einfach auf die grundsätzliche Diskussion ausgewichen, inwiefern man Spiele mit historischem Bezug überhaupt historisch kritisieren darf und sollte.

Grundsätzlich: Ich glaube, Spiele können so korrekt und unkorrekt sein wie sie wollen und wie es halt Spaß macht. Aber wer mit Geschichte als Thema arbeitet, muss damit rechnen, dass halt irgendjemand über das Thema Geschichte redet. Das ist wie einen hashtag bei Twitter zu setzen. Kannste immer machen, aber dann biste halt in dem jeweiligen Thema dabei. Was dann dabei rumkommt, ist bei jedem Spiel anders. Da gibt’s keine Schablone denke ich.

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Vorab kurz: Ich hab’ Soviet Republic nix vorzuwerfen (die Slovaken wissen da schon was sie tun). Das ist hier die Geschichts/Eskapismus/Metadiskussion. Zum Gürtel bitte weitergehen, hier gibt es nicht zu sehen :slight_smile:

Punkt 1:
Ich finde schon, Spiele, die einen historischen Kontext abbilden, müssen sich darüber im klaren sein: sie prägen ein Geschichtsverständnis beim Spieler.

Da gibt’s mittlerweile sogar wohl einen eigenen Forschungsbereich innerhalb der Geschichtswissenschaft zu. In Jörg Luibl’s Whisky/Gaming Podcast gab es eine Folge mit einem Historiker wo das kurz vorkam. Zeitraum 6:40-7:15. 35 lohnenswerte Sekunden. (wobei auch der Rest lohnenswert ist).
[Off Topic: saucool. Ich ziehe meine Bildung neuerdings nahezu exklusiv aus dem Spiele-Journalismus…]

Daher würde ich auch Jochen Gebauer in der angesprochenen Pod Folge #235 von 2019 widersprechen: Ich glaube schon, dass eine nahezu sklavenfreie Darstellung der Karibik die Gefahr birgt, dass die Leute da einen falschen Eindruck bekommen. Er selbst sicherlich nicht, aber andere vielleicht schon. Sein „niemand wird auch nur im geringsten die Sklaverei-Bedeutung geringer einschätzen“ finde ich zu krass.

In Folge #347 vom letzten November (Das Geheimnis des dummen Detektivs) ist er da ja auch deutlich kritischer, in anderem aber irgendwie vergleichbaren Zusammenhang .

Punkt 2:

Ich kenne einige Leute von einer kleinen Karibikinsel. Die Einwohner dort sind überwiegend Schwarze und insbesondere die Nachfahren von den Leuten, die Leute wie George Washington als Sklaven auf diese Insel geschickte hatten, wenn sie ihm einmal entlaufen waren. Das galt damals als schlimmere Strafe als die Todesstrafe. Weil sich die klimatischen Bedingungen in der Karibik sich zwar gut zum Bier trinken am Strand eignen, aber schlecht für harte körperliche Arbeit im Freien.

Jedenfalls: diese Leute hätten keinen Spaß daran Pirates (oder Anno) zu spielen. Echt nicht. Wenn, dann müsste das für die ein Survival/Horror Spiel sein.

Das macht Pirates oder Anno nicht automatisch zu schlechten Spielen. Aber zumindest zu Spielen die einige Leute unerträglich finden dürfen. Einfach weil sie die Dinge auf eine (verzerrte/vereinfachte) Weise abbilden, die man als Betroffener nur schwer ertragen kann. („Betroffener“ in diesem Sinne kann offenbar auch ein Geschichtsprofessor sein :slight_smile: )

Oder Anders: Wenn meine Eltern während sie als Handwerker bei einer ärchäologischen Ausgrabung in Südamerika gearbeitet hätten, von einer wildgewordenen englischen Aristokratin mit kurzen Hosen und einem Bogen über den Haufen geschossen worden wären, dann hätte ich vielleicht auch keinen Spaß an Tomb Raider gehabt.

Unter dem Gesichtspunkt kann man bei Soviet Republic schonmal nachfragen (besonders z.B. wenn man seine Samstage als Subotnik verringen durfte).

100% Zustimmung. Ich finde man kann sagen „Ja, Anno hat die Sklaverei schlecht dargestellt. Ich spiele es trotzdem gerne“. Bricht einem keinen Zacken aus der Krone. Ich sehe da keine Notwendigkeit der Kritik ihre Berechtigung abzusprechen.

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Ich glaube ja, dass es kaum ein Spiel mit geschichtlichem Setting gibt, dass hsitorisch (und auch politisch) völlig korrekt ist, sich also keine Blöße gibt, nichts Unangenehmes verschweigt und niemandes Gefühle verletzt. Denn, und jetzt kommt meine steile These: Ein solches Spiel würde dann vermutlich allenfalls bedingt „Spaß“ machen. Es wäre halt ein Serious Game. Und wer will schon am Abend nach der Arbeit ein Spiel spielen, in dem er sich mit der Sklaverei in Amerika oder der Shoah auseinandersetzen muss, wenn er sich doch einfach nur ein bisschen mit Aufbaustrategie oder einer Kriegssimulation ablenken will. Letzteres wiederum kann man natürlich insgesamt kritisch hinterfragen, aber dann sind wir ganz schnell bei der alten Killerspieldebatte.

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Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass Spiele nur Spass machen können, wenn sie irgendwie unkorrekt daherkommen. Und das wäre doch Quatsch, es sei denn man kann nur Spaß an Tabubrüchen und dem Ausleben von irgendwelchen dunklen Gelüsten haben. Nicht, dass das keinen Spaß macht, aber da ist zumindest bei mir die ‚Spaßbandbreite‘ größer.

Was historische Korrektheit oder Vollständigkeit angeht, hat Geschichtsschreibung ja auch nie den Anspruch, Geschichte ‚vollständig‘ oder lückenlos darzustellen. Die meisten Historiographien konzentrieren sich auf bestimmte Fragestellungen oder Aspekte und das kann man in Spielen auch gut machen. Ein Beispiel für einen interessanten Effekt dieser Art ist ja die Darstellung der Gleichzeitigkeit verschiedener ‚Ausbaustufen der Zivilisation‘ bei Red Dead Redemption 2. Ich habe von vielen gehört und gelesen, dass sie komplett geflasht waren, als sie aus dem wilden Westen raus in die Stadt gekommen sind, wo dann plötzlich eine Straßenbahn gefahren ist. Dabei ist das meines Wissens eine durchaus korrekte Darstellung. Also ich denke, mit ein bisschen Mühe und Kreativität können Spiele enorm von Geschichte profitieren, ohne dass man gleich das Gefühl haben muss in nem Schulbuch rumzulaufen.

Warum soll mir das tauschen von 14 weizen in 7 mehl um damit 3brot zu backen irgendetwas in geschichte beibringen?

Bestenfalls regt es mein interesse mich in irgendwas weiter reinzufuchsen, aber ich sehe es nicht in der pflicht von unterhaltungsprodukten, mich zu bilden.

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Korrekt. Es ist nicht die Pflicht von Spielen, zu bilden. (Off Topic: Das ist die Pflicht von Spiele-Journalismus, yay. Learn about Keynes&Smith via Civ+Podcast! :wasted:)

Aber kritisierst Du nicht damit gerade Uncharted und Tom Raider dafür, dass sie was weglassen („etwas NICHT sind“)? Nämlich die Massenmörder-Darstellung?

Ich finde Deine Kritik an Uncharted und Dom’s an Anno irgendwie sehr ähnlich. Und in beiden Fällen kann man das Spiel trotzdem mögen (wie Du ja auch sagst).

Meine kritik an spielen dieser art ist zwar schon ernstgemeint, aber auch immer überzogen und bewusst provokant. Ich sehe es nicht wirklich problematisch, wenn leute killerspiele oder sonst irgendwas , was man im realen leben nicht machen würde, spielen. Dafür sind die da

Ich weiß. Sonst wäre ich auch beleidigt gewesen. :slight_smile: So habe ich nur gedacht: warum bin ich so ein tumber Rumballer-Psyopath, während @echtschlecht165 so viel erhabener ist als ich :slight_smile:

Aber die Antwort hast Du ja selbst gegeben:

:love_you_gesture:

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Insgesamt habe ich da wirklich eine andere Wahrnehmung, „das ist doch nur ein Spiel“ habe ich das letzte mal 2011 oder so gehört. Wenn es diese zwei Lager gibt, dann würde ich mich zum Dritten zählen: Ja, wir können gerne über Sklaverei in Anno diskutieren, aber man kann auch völlig legitimerweise der Auffassung sein, dass es vollkommen okay ist, dass dort keine Sklaverei enthalten ist. Ich habe oft den Eindruck, dass für diejenigen, die für „mehr kulturelle Auseinandersetzung“ sind, das Ergebnis eben dieser Auseinandersetzung schon festzustehen scheint. Und klar, ich bin auch für mehr Souveränität, nur könnte man in Sachen Souveränität zum Beispiel mal damit anfangen, Spiele nicht deswegen zu shitstormen, weil sie beim DCM ausgezeichnet werden sollen und ähnliches.

Ja, das hast Du Recht. Ich hatte die Macherinnen auch für ein Interivew angefragt, nur leider antworten die nicht. Ich hätte einige Fragen, denn es ist ja doch interessant, dass Sovjet Republic eben kein Tropico ist und ich glaube, dass das eine Menge damit zu tun hat, dass die Entwicklerinnen hier ihre eigene Geschichte verarbeiten. Das Spiel idealisiert den realexisiterenden Sozialismus nicht, aber verdammt ihn auch nicht. Es gibt auch keine ironische Brechung, wenn man mal von der bombastischen Arbeiter-Chor-Musik absieht.
Es stimmt, es gibt da keinen Schießbefehl und keine Gulags und wer will kann das kritisieren und das vermutlich mit größerem Recht, als dass man Anno vorwerfen kann, keine Sklaven im Spiel zu haben. Ich bin da durchaus bei @echtschlecht165 .
Aber der Fokus des Spiels ist eben auch nicht die allumfassende Gesellschaftssimulation, sondern der Blick auf Ökonomie und den Alltag im Realsozialismus. Eben genau solche Dinge, dass Kriminalität kein Problem ist, aber Alkoholismus durchaus. Dass sich keine Sau für Umweltverschmutzung interessiert, aber das Arbeiter krank werden und dann in den Fabriken fehlen. Dass es ein eingeschränktes Freizeitangebot gibt, aber das örtliche Kino der Hotspot der Gemeinde ist. Dass Plattenbau nicht gleich Plattenbau ist. Und das finde ich persönlich interessant, faszinierend und auch durchaus lehrreich.

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Ich bin auch froh, dass es solche artikel wie den von dom über anno gibt. Und nur weil ich ihm nicht zustimme, ist es dennoch einer meiner lieblingsartikel über spiele. Weil er eben zum nachdenken anregt. Ich finde auch nicht , dass in diesem artikel falsche dinge geschrieben werden.
Nur wird mit anno1800 der denkbar schlechteste baum angebellt.
In diesem thema gibts doch viel interessantere beispiele, und nicht zuletzt aufgrund dieser diskussion fiel mir zb auf, dass ein hearts of iron mich zwar sämtliche sowjetische kriegsverbrechen spielen lässt (zb stalinistische säuberungen) , aber die deutschen verbrechen alle ausgeblendet sind.
Warum das?
Wohlgemerkt in einem spiel, das explizit mit der geschichte wirbt, und mich mit personen wie heinrich himmler spielen lässt

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Definitiv. Angesichts der Leichenberge die eigentlich jeder Spieler in fast jedem Spiel hinter sich auftürmt, ist es natürlich komisch, ein Spiel in dem ausgerechnet mal nicht getötet wird dafür zu kritisieren, dass da nicht genug Grausamkeit drin ist. So komisch das wirkt, das ist wohl letztlich eine Geschmacksfrage. Welchen Flavor Ludonarrativer Dissonanz man sich halt gönnt. Extrem formuliert: wenn ein russisches Studio ein Spiel „Der Autobahnbauer. '33-'45“ macht, dann darf es das. (Sollte vielleicht nicht von einer deutschen Firma kommen und würde in Deutschland wohl auch ein PR-Problem haben, aber OK.)

Mal wieder hat @echtschlecht165 meinen Punkt schon vor mir und prägnanter formuliert :slight_smile:

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Wo kann ich "der autobahnbauer 33-45 kaufen.
Ich will das jetzt spielen :grinning:

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Eigentlich wurde das meiste schon gesagt und ich komme hier ein bißchen late to the Party, möchte mich dem Thema aber zum wiederholten Male aus der unsympathischen Snob-Ecke annähern: Ich halte Anno 1800 und Blue Blyte schlicht und ergreifend nicht für satisfaktionsfähig für einen ernsthaften Diskurs über die kolonialgeschichtliche Darstellung in Computerspielen. Du hast den Fix-und-Foxi-Landserheft-Vergleich ja selbst schon gebracht: Anno 1800 ist ja eben nicht das Pendant zum Historienfilm, sondern allenfalls ein schlechter Groschenroman, in dem ich hauptsächlich ein paar hübsche Häuserzeilen hochziehe, nebenbei Südamerikaner mit Taco und Maispampe abspeise und Inuit ihrer Robben- und Eisbärpelze beraube. Bewegt sich also in seiner ethnografischen Darstellung ungefähr auf – wenn nicht gar unter – dem Niveau (veralteter) Vorschul-/Kindergartenliteratur gepaart mit klassischem Schundromankitsch.
Man kann und sollte Anno 1800 natürlich in die lange Reihe von Kulturprodukten einreihen, die in der Tradition des klassischen Abenteuerromans tradierte Geschichtsbilder und Kolonialvorstellungen unkritisch und unterbewußt weitertransportieren. Das ist fair und ich finde es gut, daß wir endlich unsere bundesrepublikanische Lettow-Vorbeck-Felix-Graf Luckner-was-waren-das-für-geile-Haudegen-Verklärung hinterfragen und die oberflächliche Kokospalmenromantik der Robinsonaden unserer Kindheit in ein anderes Licht gerückt bekommen.
Aber einem Professor für Kolonialgeschichte, der das Ganze nicht selbst gespielt hat, ausgerechnet ein Blue Byte-Spiel vorzusetzen, als ernsthafte Historiensimulation des 19. Jahrhunderts zu verkaufen und sich anschließend über die ausbleibende Reaktion zu echauffieren, ist mir zu einfach.

In Blue Bytes Ludographie entdecke ich genau ein Spiel, das sich mit etwas gutem Willen ernsthaft mit einem historischen Thema auseinandersetzt, nämlich als Blue Byte Battle Isle in den Ersten Weltkrieg versetzte und das Ganze mit einem hübschen Gavrilo Princip-Intro und andächtig-melancholischen Wacht am Rhein meets Marseillaise-Geklimper versah. War nett und nicht vom üblichen Chauvinismus durchsetzt. Aber auch nicht mehr. Aber jetzt nach zig Annos und Siedlern zu verlangen, sie möchten in ihrer Schrebergartenschmonzette doch mal bitte ernsthafte Themen wie den transatlantischen Sklavenhandel unterbringen, ist wie dem Arztroman vorzuwerfen, er verbreite überholte Geschlechterrollen. Da vermisse ich dann die nötige Nonchalance und die von dir genannte Unverkniffenheit.

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late to the PArty, aber dafür (wie immer) umso eloquenter:

Dieser Absatz ist super, könnte ich selbst nie besser schreiben, ich bin da eher der Rüpelschreiber :smiley:

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Ich denke das hat auch sehr viel mit dem Anspruch des Spiels selbst bzw. in zweiter Instants deren EntwicklerInnen und vlt. weniger mit dem Anspruch der Spielenden zu tun. Die Anno-Reihe hatte meines Wissens nie den Anspruch absolute Realität abzubilden, sondern eher Realitäten (wie das 19 Jh.) so umzugestalten, dass sie im Konzept Aufbaustrategie ein möglichst gutes also spaßiges Spiel abgeben. Dafür werden natürlich Aspekte weggelassen oder vernachlässigt, aber aus meiner Pespektive ist sowas auch nicht schlimm, da eh niemand davon ausgeht hier verspielten (?) Geschichtsunterischt zu erhalten. Und damit unterscheiden sich solche Spiele dann auch klar von Simulationen oder Spielen die sich selbst als authentisch verstanden haben wollen, also in erster Linie eine möglichst nahe und detailgetreue Annäherung an die Realität anstreben und darum herum ein Spiel bauen (siehe z.B. Arma 3 aber auch das neue War Mongels). Da ich Sovjet Repuplic nicht gespielt habe weiß ich jetzt nicht wie sich das Spiel positioniert, aber es wirkt auf mich von dem was ich gehört habe nicht wie eine Simulation der SU.

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Ich habe inhaltlich nichts grossartig Neues beizutragen, aber ich finde es bemerkenswert, welch differenzierte, kontroverse und trotzdem angenehme Diskussionen in diesem Forum möglich sind.
Danke!

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Boah, ging ja gut weiter hier. Na, ich denke, wir kommen hier auch tendenziell zum Ende, aber folgendes ist mir doch noch mal wichtig zu betonen:

Also, das ist, zumindest soweit es mich betrifft, ein großes Missverständnis. Zugegeben, der Begriff ‚kulturelle Auseinandersetzung‘ ist extrem dehnbar. Ich meine damit, dass man ein geistiges Erzeugnis wie ein Computerspiel einfach aus den verschiedensten kulturellen Perspektiven heraus betrachtet und diese Perspektiven dann gewinnbringend nebeneinander stellt. Damit kommt man auf ganz verschiedene Aspekte und auch die Wertungen sind entsprechend unterschiedlich. Das finde ich prima, das ist spannend, das ist lebendige demokratische Kultur und da gibt’s für mich keine Perspektive, deren Ergebnis von vornherein feststeht und die irgendwie das Recht hat sich über alle anderen Perspektiven zu stellen und am Ende irgendwas verbieten zu wollen - wir leben ja schließlich nicht in einer soviet republic, höhöhö.
Generell bezweifle ich auch, dass diese Auseinandersetzung irgendein Ergebnis haben muss, außer, dass man über die Auseinandersetzung mit anderen Perspektiven den eigenen Horizont erweitern kann - wenn man mag. Wenn Computerspiele und die Beschäftigung damit alleine das schon schaffen, haben sie verdammt viel geschafft.
Und genau deshalb lehne ich auch diesen Bildung vs. Unterhaltung Dualismus ab, @echtschlecht165 . Gute Unterhaltung erweitert Horizonte, ohne explizit als Bildung daherzukommen. Die meisten Bücher, die wir im Deutschunterricht lesen mussten, wurden ursprünglich nicht als Bildungsliteratur, sondern zum Zweck der guten Unterhaltung geschrieben.

Ja, ich auch! Ich fände es superspannend, darüber mehr zu lesen. Worauf haben die Wert gelegt? Was sagen die damit aus? Ich glaube, mit der Konstellation aus Autoren und Setting ist es unmöglich, dass da keine inhärente Aussage drin ist. Ich brauch die vollständige historische simulation nicht und ich ließ es weiter oben anklingen, so etwas ist auch gar nicht möglich glaube ich. Aber solche Fragen sind halt sehr interessant. Übrigens bin ich seit einigen Wochen am nachdenken, was ich eigentlich aus cyberpunk 2077 über die 1980er lerne. Mein erstes Ergebnis: Autos waren wohl sehr wichtig.

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Ja, hat Spaß gemacht. Ich hoffe, dass klar wurde, dass es mir wirklich niemals darum ging, Spiele niederzumachen oder Leuten diese auszureden. „Historische Akkuratheit“ ist nur ein Punkt einer Spielekritik, genauso wie die Qualität des Speichersystems.

Wenn andere aber auf eigene gamestar-Artikel verweisen können um ihre These zu untermauern, habe ich das Gefühl, ein wenig außerhalb meiner Preisklasse zu Boxen. :slight_smile:
Daher hole ich mir schamlos Verstärkung in der älteren und jüngeren Geschichte.
Warum Spielekritik wichtig ist. Oder auf Angeber-Deutsch „Vom Wesen und Art der Spielekritik“. Wegen Überlänge in eigenem Thread.

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ich denke auch, dass hier das meiste gesagt worden ist.
Aber ich möchte nur noch klarstellen, dass ich nicht gegen den Dualismus Bildung vs Entertainment bin.
Im Gegenteil, ich bin für Vielfalt. Wogegen ich bin, ist dass man es zwanghaft in jedes Spiel reinpressen will.
Das einzige ,was mich wirklich stört an Doms Anno-Artikel ist, dass er den Entwicklern „Geschichtsrevision“ vorwirft. Und das ist ein starker Vorwurf, den man nicht einfach so machen sollte. Vorallem nicht Entwicklern eines Rosamunde Pilcher Schnulzspieles, dass nun wirklich niemand was böses will.
Ausserdem bringt er halt keine konkreten Vorschläge, wie die Sklaverei in Anno aussehen soll.
Soll in den Quietschbunten Annostädten nun aus den Bananenplantagen Peitschenschläge und Schmerzensschreie ertönen? (Um auch dem ignorantesten Spieler zu sagen: Sklaverei ist böse) oder soll es eher zum Quietschbunten Restkontext passen, und in den Bananenplantagen ernten fröhlich tanzende Negerlein (Achtung: dieses Wort verwende ich hier bewusst, da es aus der Sklaverei kommt) die Früchte.
Ich glaub, das Geschichtsbewusstsein würde wohl beides nicht voran bringen.

Ein anderes, für mich, schreckliches Beispiel, wenn man Geschichte ins Spiel einbinden will:
Assasins Creed Syndicate, Kinderarbeit.
Man kann Kinder aus deren Arbeitsstätten befreien und die Presse feiert es.

  1. Weil Kinder.
  2. Weil man ,wie man es gerne tut, die Vergangenheit mit unserer heutigen westlichen Moralvorstellung bewertet, und Kinderarbeit natürlich ein ganz schwarzer Fleck der Geschichte ist, der ausgerottet werden muss.

Und was tut man im Spiel:
Die Fabriken sind Gamemechanisch Lager, wie sie es in jedem Far Cry und jedem AC seit Brotherhood gibt. Töte 2 Wachen und 3 Elitewachen und zünde 3 Heuhaufen an, und dann befreist du die Kinder aus der Gefangenschaft.
Ihre anschliessende Arbeitslosigkeit, und die tatsache dass wirtschaftliche Notwendigkeit zur Kinderarbeit führten, wurde nicht in einem Wort angesprochen. Hauptsache die „Kinder sind frei“
Und so einen Murks feiert dann die Spielerpresse.

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Rennbahnweg und hausgrundweg sagen hold my beer
grafik

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