Vorab kurz: Ich hab’ Soviet Republic nix vorzuwerfen (die Slovaken wissen da schon was sie tun). Das ist hier die Geschichts/Eskapismus/Metadiskussion. Zum Gürtel bitte weitergehen, hier gibt es nicht zu sehen
Punkt 1:
Ich finde schon, Spiele, die einen historischen Kontext abbilden, müssen sich darüber im klaren sein: sie prägen ein Geschichtsverständnis beim Spieler.
Da gibt’s mittlerweile sogar wohl einen eigenen Forschungsbereich innerhalb der Geschichtswissenschaft zu. In Jörg Luibl’s Whisky/Gaming Podcast gab es eine Folge mit einem Historiker wo das kurz vorkam. Zeitraum 6:40-7:15. 35 lohnenswerte Sekunden. (wobei auch der Rest lohnenswert ist).
[Off Topic: saucool. Ich ziehe meine Bildung neuerdings nahezu exklusiv aus dem Spiele-Journalismus…]
Daher würde ich auch Jochen Gebauer in der angesprochenen Pod Folge #235 von 2019 widersprechen: Ich glaube schon, dass eine nahezu sklavenfreie Darstellung der Karibik die Gefahr birgt, dass die Leute da einen falschen Eindruck bekommen. Er selbst sicherlich nicht, aber andere vielleicht schon. Sein „niemand wird auch nur im geringsten die Sklaverei-Bedeutung geringer einschätzen“ finde ich zu krass.
In Folge #347 vom letzten November (Das Geheimnis des dummen Detektivs) ist er da ja auch deutlich kritischer, in anderem aber irgendwie vergleichbaren Zusammenhang .
Punkt 2:
Ich kenne einige Leute von einer kleinen Karibikinsel. Die Einwohner dort sind überwiegend Schwarze und insbesondere die Nachfahren von den Leuten, die Leute wie George Washington als Sklaven auf diese Insel geschickte hatten, wenn sie ihm einmal entlaufen waren. Das galt damals als schlimmere Strafe als die Todesstrafe. Weil sich die klimatischen Bedingungen in der Karibik sich zwar gut zum Bier trinken am Strand eignen, aber schlecht für harte körperliche Arbeit im Freien.
Jedenfalls: diese Leute hätten keinen Spaß daran Pirates (oder Anno) zu spielen. Echt nicht. Wenn, dann müsste das für die ein Survival/Horror Spiel sein.
Das macht Pirates oder Anno nicht automatisch zu schlechten Spielen. Aber zumindest zu Spielen die einige Leute unerträglich finden dürfen. Einfach weil sie die Dinge auf eine (verzerrte/vereinfachte) Weise abbilden, die man als Betroffener nur schwer ertragen kann. („Betroffener“ in diesem Sinne kann offenbar auch ein Geschichtsprofessor sein )
Oder Anders: Wenn meine Eltern während sie als Handwerker bei einer ärchäologischen Ausgrabung in Südamerika gearbeitet hätten, von einer wildgewordenen englischen Aristokratin mit kurzen Hosen und einem Bogen über den Haufen geschossen worden wären, dann hätte ich vielleicht auch keinen Spaß an Tomb Raider gehabt.
Unter dem Gesichtspunkt kann man bei Soviet Republic schonmal nachfragen (besonders z.B. wenn man seine Samstage als Subotnik verringen durfte).
100% Zustimmung. Ich finde man kann sagen „Ja, Anno hat die Sklaverei schlecht dargestellt. Ich spiele es trotzdem gerne“. Bricht einem keinen Zacken aus der Krone. Ich sehe da keine Notwendigkeit der Kritik ihre Berechtigung abzusprechen.