Schon seit geraumer Zeit gibt es im deutschen Sprachraum die Debatte ums Gendern. Auf der einen Seite wird die Bedeutung der stärkeren Einbeziehung weiblicher Formen betont, auf der anderen Seite herrscht bei den Vorschlägen (Gendersternchen etc.) im Hinblick auf die Umsetzung kein Konsens. Schlimmer noch: Quasi alle diese Vorschläge führen zu mehreren der folgenden Probleme:
Texte lassen sich schwieriger sprechen
Texte werden noch länger als sie ohnehin schon sind (beispielsweise sind englische Übersetzungen quasi durchweg signifikant kürzer)
reduzierte Sprachästhetik durch Einsatz von Zusatzzeichen etc…
erhöhte Schwierigkeit beim Erlernen der Sprache
(weiterhin) keine Gewährleistung von Neutralität (z.B. das Sprechen von „-Innen“ mir kurzer Pause betont die weibliche Form) - ein sehr wesentlicher Kritikpunkt!
Logiklücken
Es scheint auch ein wenig, als würde man in dieser Übergangsphase die Gesamtsituation temporär sogar verschlechtern, denn befriedigend ist dieses „Chaos“ sicher nicht. Während vor Jahrzehnten den meisten Menschen klar war, dass es sowas wie das generische Maskulinum gibt und damit auch weibliche Personen eingeschlossen werden, so ist mittlerweile die Unsicherheit darüher gewachsen, ob dieser Einschluss wirklich vorhanden ist, schließlich könnte man ja auch Gendern. Dies wiederum erhöht den Ruf nach der Praxis des Genderns, weil in der Folge tatsächlich weniger Leute an weibliche Personen denken, wenn das generische Maskulinum verwendet wird. Außerdem: Der scheinbar vorhandene Konsens beim Sprechen (Verwendung der weiblichen Form mit kurzer Sprechpause vor „-innen“) ist sicher keine perfekte Lösung, schließlich gibt es vielleicht Leute, die sich keinem Geschlecht wirklich zugehörig fühlen oder sonstwie vom binären Geschlechtsschema abweichen. Und das erhebliche Problem der nicht vorhandenen Neutralität wurde bereits angesprochen.
Aber es gibt tatsächlich eine recht naheliegende Lösung, die alle zufriedenstellen sollte: Das Entgendern nach Phettberg, siehe z.B. in diesem Video von Thomas Kronschläger:
Hierdurch entfallen wirklich alle oben genannten Probleme. Die resultierende Sprache ist logisch einwandfrei, geschlechtsneutral, leicht zu lernen und führt zu maximal kurzen Texten. Zugegeben, das Verwenden von y- und ys-Endungen wirkt beim ersten Hören etwas lustig bzw. niedlich, aber wir wissen aus der Schweiz, dass das Verwenden solcher Formen gesellschaftliche Anerkennung haben kann. Viele spezielle (und quasi durchweg eher positiv besetzte) Wörter aus dem Schweizerdeutsch haben nämlich tatsächlich Endungen, die so klingen (z.B. Müntschi, Nüsslisalat, Chuchichäschtli)!
Wie denkt ihr hierüber? Fuer mich ist es sehr verwunderlich, dass sich das Gendern in der bisherigen Form entwickelt und sich recht weit durchgesetzt hat. Aber der Mensch ist eben ein Herdentier. Und vielleicht geht es manchen Feministys auch gar nicht um Neutralität.
Ich finde die grundlegende Idee des „Entgenderns“ äußerst faszinierend und auch attraktiv. Allerdings erachte ich die ‚y‘-Ending als nicht wirklich ästhetisch. Aber das ist kein Ausschlussargument, da schließlich auch andere Neutralabschlüsse denkbar wären – ich fände ein „a“ sehr witzig, Liebe Forenteilnehmas – , die auch nicht unbedingt über die sprachliche Gesamtheit einheitlich sein müssen. Ich fände das für ein Experiment ganz nett, aber bezweifle, dass das in der Gesellschaft großen Anklang finden würde.
Also ganz ehrlich? Ich finde es klingt ziemlich bescheuert.
Und wenn ich an die Typen auf der Arbeit denke, die übers gendern murren, dann habe ich in keinster Weise das Gefühl, dass es die Akzeptanz bei denen auch nur irgendwie verbessern könnte. Allerdings habe ich auch keine bessere Idee und lebe solang mit der Doppelpunkt-Krücke.
Vorschläge wie diese sind mir lieber als die Trema, Doppelpunkt, Sternchen usw.
Da wirkt die Sprache einfach natürlicher als mit einem Trema, Doppelpunkt, Sternchen usw.
Aber ich warte persönlich einfach ab, was sich irgendwann das Goethe-Institut aus den Fingern saugt und allen darüberstülpt.
und was ist eigentlich das Problem, einfach die neutrale Form zu nutzen?
Wobei ich ja stark bezweifel, dass die z.T. verbissene Ablehnung des Genderns, irgendwas mit der Form (also wie man gendergerecht schreibt/spricht) zu tun hat. Insofern würde da auch kein anderes Konzept helfen. Ich glaube es geht im Kern oft schlicht um Ablehnung von etwas Neuem, insbesondere wenn es darum geht „Minderheiten“ (was die Repräsentation betrifft) sichtbarer zu machen.
Da ich in der ganzen Debatte verunsichert bin, warte ich 10 Jahre ab, bis sich die Welt geeinigt hat und sage bis dahin „Spieler und Spielerinnen“ oder „Spieler*innen“.
Spannende Idee. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich mittlerweile beim Sprechen schon ganz gut an Spieler*innen gewöhnt habe. Es stört mich auch beim hören nullkommanull.
Jo, da muss ich dir leider zustimmen. Ich glaube hinter dem ganzen Sprachästhetik Argument steckt viel innere Abwehr gegen Veränderung.
Meine Eltern zB sind ü70-Boomer und verstehen das ganze Thema überhaupt nicht. Sprach und Schriftbild ist immer flexibel und entwickelt sich aber das wird eben evtl. Generationen dauern. Ich finde den Doppelpunkt auch erstmal ok, weil dieser wohl recht barrierefrei ist. Die Institution bei der ich arbeite zieht das immerhin schon jetzt auf allen Dokumenten durch. Auch der Duden beginnt sich langsam anzupassen
Der Doppelpunkt soll wohl noch die beste Lösung für Personen sein, die auf einen Screenreader angewiesen sind. Und deshalb handhabe ich das seitdem auch so.
Mein Vater hat mir letztes Jahr, als er schon nur noch im Bett liegen konnte, noch eine Standpauke gehalten. Das bei der Deadline zu dem Zeitpunkt nur mit Binnen-i gegendert wurde fand er “absolut inkonsequent und falsch. Es gibt doch mittlerweile bessere Lösungen bei denen Alle mitgemeint sind wie * und :. Das solltest Du wissen”.
Jetzt hat er es leider gar nicht mehr bis Ü70 geschafft und ich vermisse meinen Anti-Boomer-manchmal Linker als ich-Papa sehr. Gerade wegen solcher Gespräche.
Ich versuche das mittlerweile immer mehr umzusetzen und war eigentlich auch schon beim Doppelpunkt gelandet (was ich selbst wieder vergessen hatte, danke @VfBFan). Im sprechen fällt es mir manchmal noch schwer.
Die Y Variante klingt irgendwie nett und niedlich aber wäre das nicht mit “das” eine viel größere gedankliche Umstellung?
Ich gehöre auch zu den Leuten, die Gendern ablehnen - und ich bin immer wieder überrascht, dass ich damit in meiner Internet-Bubble wohl zur absoluten Minderheit gehöre, während in meinem Familien- und Freundeskreis quasi auch niemand gendert (auch die Frauen nicht)…
Ich kenne das Gendern auch nur aus dem Internet. In meinem Freundeskreis (überwiegend Akademiker) gendert absolut niemand, mich inbegriffen, und daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern. Aber mich stört es auch nicht, wenn andere gendern.
Ich würde am liebsten sehen, wenn sich Deutsch da einfach bei Englisch bedienen würde, aber dafür ist’s bisschen zu … spät wahrscheinlich. Selber versuche ich’s neutral, manchmal mit Stern, auch gesprochen (Doppelpunkt eigentlich schöner, wenn’s denn über Satzzeichen gelöst sein soll) und wenn ich mit meinen Töchtern rede, sind Männer auch gerne mal mitgemeint.
In meinem erweiterten Familien und Freundeskreis, also circa 40 Personen von circa 30 bis Mitte 70, gendert auch überhaupt niemand. Die meisten Akademiker, die Frauen lehnen es eigentlich fast noch stärker ab als die Männer.
Interessant. Das ist bei mir komplett anders. Es wird sowohl im beruflichen Alltag als auch im privaten Umfeld gegendert. Natürlich nicht alle, aber durchaus sehr viele. Auch fast alle Podcasts, die ich höre gendern durchgehend. Und ich habe mehr als einmal von Frauen gehört, dass die das sehr gut finden.
Also im persönlichen Zwiegespräch oder in kleiner Runde ist es bei uns im Umfeld auch (noch?) nicht die Norm. Aber wirkliche Ablehnung habe ich auch nicht bemerken können.
Würde aber, bis auf die sich einschleifende Gewohnheit in dem Fall auch erstmal nur von „nice-to-have“ sprechen.
Ich selbst finde es besonders wichtig sobald die Rezipient:innen eine gewisse Anzahl übersteigen oder es aus dem privaten ins (semi-)öffentliche geht.
Also Artikel, Podcasts, Anschreiben, Vorträge, aber auch Ansprache von Gruppen etc. egal ob bei so etwas unwichtigem wie Filmbesprechungen oder offizielle Sendungen.
Da dort einfach meiner Meinung nach wichtig ist Alle anzusprechen.