Liebe ist für alle da – oder? Von der neuen Vielfalt des Kinos und dem Rückstand der Gaming-Welt: Der Kolumne dritter Teil

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Blockbuster tauchen in die verschiedensten Sphären ein. Es gibt nahezu nichts, was es nicht gibt – das gilt für Spiele noch mehr als für Filme. Doch bei der Darstellung nicht-heterosexueller Liebe hinken gerade die großen Player massiv hinterher.

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Oh mein Gott, freu mich gerade mega über den Text, werde ich mir nachher sehr gerne reinziehen, dankeschön :slight_smile:

So gelesen :slight_smile:
Der negativen Kritik von Arabella schließe ich mich an. Nicht-Hetero-Beziehungen sind nicht vorstellbar, neben DontNod. Natürlich könnte man sagen, dass auch in Cyberpunk oder eben Prey solche Geschichten stattfanden, diese aber nicht vorgezeichnet waren. Von den 10% sind wir weit entfernt.

Eine Frage unserer Zeit, zumindest für mich, ist die empfundene Dissonanz zwischen den 10% und der Darstellung in den Medien. Einem Gefühl dass diese Gruppe übermaßen repräsentiert wird, kann ich mich nicht anschließen, auch wenn ich mich nicht gegen diese, sehr steile, These wehren kann. Da hab ich einfach zu wenig Informationen.

Meinem Empfinden nach ist das auch ein Stück weit ein Generationenkonflikt. Ich habe im persönlichen Umfeld lesbischen Frauen erlebt, die sich fragten was dieser „Transkram“ nun soll und ebenso Menschen die jünger sind als ich und für die solche Fragen überhaupt nicht zur Debatte stehen.
Also zwei Seiten die einander nicht zuhören oder erklären wollen.

Darüberhinaus hat Gaming für mich, zumindest was ich im Multiplayer erlebe, ein starkes Sexismus- und Männlichkeitsproblem. Dafür sprechen auch etliche Twitcher welche ihre Community verloren haben nachdem sie sich geoutet haben. Ich kotze :frowning:

Großes, aktuelles und wichtiges Thema, ich hoffe mit dir, dass solche Geschichten in den nächsten Jahren zunehmen und sich etablieren werden!

Für die Liebe! <3

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Die Einleitung ist leider keine 1+, weil folgender Film zu den beiden genannten fehlt. Tue Buße. :wink:

Sorry, muss jetzt erstmal weiterlesen …

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Ich hatte den Film tatsächlich zunächst in meiner Aufzählung. Der Text war allerdings so schon lang genug, also habe ich ihn wieder rausgenommen. Kein Anspruch auf Vollständigkeit, nur Beispiele - schön, dass du hier nochmal darauf hinweist!

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:green_heart:
The Last Of Us Ps4 GIF by Naughty Dog

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Die Reaktionen auf eine schwule Hauptfigur eines AAA-Titels will man sich kaum vorstellen

Oh ja, nur andeutungsweise eine Geschichte wie in Call Me by Your Name erzählt in einem Videospiel und du würdest das Internet explodieren hören. Leider.
Auch wegem dem größeren Altersunterschied der beiden Protagonisten.
TLOU2 war da ja sogar mainstreamig (im Vergleich zu Filmen) unterwegs, zwei junge hübsche weiße Frauen.

Der Artikel lässt mir Hollywood etwas zu leicht vom Haken, auch wenn die Kritik an mangelnden Möglichkeiten sich über „playersexuelle“ Flirts in Rollenspielen wiederfinden zu können in die absolut richtige Richtung zielt.

Die zehn Jahre alten (und durchaus nicht unumstrittenen) Beispiele repräsentieren eher das Indiekino als „AAA“. Carol spielte weltweit rund 40 Millionen ein, Call Me By Your Name etwas mehr, der phänomenale Portrait of a Lady on Fire gerade mal 10, Blau ist eine Warme Farbe 20 Millionen (was in etwa Dontnots Umsatz im Jahr 2019 war). Das ist eine andere Umsatzklasse als Cyberpunk 2077.

Und dass Bros selbst Jahre nachdem Moonlight einen Oscar gewonnen hat noch ein „Meilenstein“ sein muss, statt einfach nur einer schwulen Romcom, ist eher ein Armutszeugnis als ein Triumph. Zumal einige der extremsten misogynen Kampagnen seit Gamergate um den Release von Star Wars uns Ghostbusters stattfanden.

Die direktere Parallele zu großen AAA-Spielen wäre aus meiner Sicht Disney, und die haben bis heute keine explizit queere Hauptfigur in einem ihrer Marvel- oder Star-Wars-Filme gezeigt – und selbst da werden die dezenten Szenen für einige Märkte noch rausgeschnitten.

Im Intro des Artikels steht, bei der Darstellung nicht-heterosexueller Liebe hinken gerade die großen Player den Kinos hinterher. Die größten Player aus Hollywood hinken aber aus meiner Sicht sogar eher der Spielebranche hinterher.

Was natürlich stimmt ist, dass die AAA-Spielebranche ebenso viel Angst vor Queerness hat, wie das Kino. Daher lohnt es sich, den kommerziell völlig marginalisierten Untergrund zu erkunden – und die vielfältigen kreativen Stimmen, die man abseits vom Spiele- oder Kino-Blockbuster findet.

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Hm, ich weiß grad nicht, ob es jetzt die Einladung ist, mehr (geniale! geniale! geniale!) Filme zu gleichgeschlechtlicher Liebe zu zitieren? Ich behaupte für mich einfach: ja.

My Private Idaho - Straßenstricher mit Shakespeare. River Phoenix at his best. Was will man mehr?
Happy Together - Hongkong Filme sind nicht nur Kongfu oder Krimis (auch wenn die es sehr, sehr gut können). Dieser Film rührt und ist einfach genial mit einem wunderwollen Leslie und einem Tony.
Der Kuss der Spinnenfrau - ok ist nicht ganz über die Liebe. Aber trotzdem genialer Film!
Alle diese Filme waren im letzten Jahrhundert. Damals schon wußte man - die Liebe kennt keine Grenzen.
Und Spiele? Die schönste Liebegeschichte, die ich in den letzten Jahren gespielt habe, handelt von meinem Knight Kommander mit Daeran (Pathfinder WOTR). Bisher kam keine einzige Liebesgeschichte heran. Noch nicht mal Mass Effect, trotz meiner Schwäche für Bioware!
Aber ja, Spiele wie Pathfinder WOTR gibt es selten. Und Spieler, die es mögen, noch weniger. Daher - Hut ab.

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Um auch mal ein paar Indiegames (mit nennenswertem Erfolg auch im Mainstream, die ich als Spiele-Parallele zu den ganzen Filmen über gleichgeschlechtliche Beziehungen sehen würde) zu nennen, die als positive Beispiele taugen:

Die Beziehung zwischen (den Nebenfiguren) Gregg und Angus in Nights in the Woods ist eine der vielleicht positivsten, wärmsten Beziehungen zwischen zwei Männern, die ich in einem Spiel gesehen habe. (Und auch Protagonistin Mae darf gleichgeschlechtlich flirten.)

Life is Strange wurde zwar auch (imo zurecht) für sein trope-lastiges Ende kritisiert, aber gerade die Beziehung zwischen Chloe und Max hat das Spiel damals so erfolgreich gemacht. (Und soweit ich las setzte True Colors das fort.)

Und natürlich, auch wenn’s 2023 nach dem Walking-Sim-Hype damals ein bisschen auserzählt wirkt, ist Gone Home noch immer eine sehr sensible, intime Liebesgeschichte.

Beim Google gefunden (da ich die letzte Staffel nicht mehr gespielt habe): Clementine aus The Walking Dead ist bisexuell.

Der Megaseller Hades ist so ziemlich das bisexuellste Spiel aller Zeiten.

Übrigens auch eine bemerkenswerte Geschichte: Die Sims, eine der low key queersten Spielesereien überhaupt, hat gleichgeschlechtliche Beziehungen damals quasi versehentlich eingeführt, und das schon 1999.

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Ich gebe dir Recht, dass im Kino in Sachen „Repräsentation“ ebenfalls noch viel mehr passieren muss - gerade in Hollywood. Das steht für mich absolut außer Frage. Der Text soll gar keine Huldigung der Film- und Serienwelt sein, wenn es um die Abbildung von LGBTQ geht, sondern schlicht herausstellen, dass sie meiner Meinung nach dort eher stattfindet. Damit meine ich sowohl häufiger als auch früher.

Natürlich sind meine Kino-Beispiele im Text bei Weitem nicht die ersten Filme, die von lesbischer Liebe erzählen. Sie waren von Anfang zumindest mit größerer Selbstverständlichkeit ein Teil des Kinos, als sie Teil der Gaming-Welt waren. Und das, obwohl die Gaming-Geschichte ja viel später und damit in einem gesellschaftlich liberalerem Klima einsetzt, als die Filmgeschichte. Ob die Art der filmischen Repräsentation gelungen war, kann man aus heutiger Sicht natürlich stark anzweifeln (ich spreche im Text bspw. auch vom lange gehegten Bury-Your-Gays-Trope), aber immerhin gab es sie!

Aber selbst wenn wir auf das Jetzt blicken, wo es im Film eben sehr wohl überaus hochwertig erzählte lesbische Liebesgeschichten gibt, die spätestens seit „Blau ist eine warme Farbe“ (Goldene Palme in Cannes) mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei Preisverleihungen berücksichtigt werden, vermisse ich Ähnliches nachwievor in der Gaming-Welt. Da spielt es zunächst eine untergeordnete Rolle, ob im Blockbuster- oder Indie-Bereich. Auch wenn wir in Letzterem bleiben, gibt es abseits der „Life is Strange“-Reihe schlicht nicht viel mehr, wenn das Lesbischsein nicht nur eine kleine Randnotiz sein soll. Wenn wir auf schwule oder bisexuelle Liebesgeschichten schauen (vor allem aus männlicher Perspektive), sieht es gleich noch viel schlechter aus.

Schauen wir auf größere Titel, ist klar: Die Produktionskosten für einen Blockbuster bedeuten in der Filmwelt etwas anderes als in der Gaming-Welt. Dass das finanzielle Risiko in Letzterer schwerer wiegt als in Ersterer, stimmt natürlich. Wiegt man einzig das gegeneinander auf, hast du Recht, dass Disney noch schlechter dasteht als die Videospiel-Branche. Weitet man den Blick auf Hollywood-Produktionen im Allgemeinen, gilt aber auch hier, dass die Selbstverständlichkeit (immer relativ gesehen) queere Figuren miteinzubinden größer ist.

Und, wie im Text geschrieben, finde ich, dass man hier den bedeutenden Vorteil, den Games haben, nicht außer Acht lassen darf: Die Wahlfreiheit. Ich bin kein Fan davon, queere Romanzen als schlichte Option zu behandeln, aber auch das geschieht in AAA-Spielen noch viel seltener, als es der Fall sein könnte. Und diese Möglichkeit haben Filme nun mal überhaupt nicht.

Ich denke aber, dass wir uns abgesehen von unserer unterschiedlichen Ansichten dazu, wo es nun schlechter um queere Repräsentation steht, einig darin sind, dass es hier wie dort noch einiges zu tun gibt. :wink:

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Dem Teil würde ich so tatsächlich widersprechen: Videospiele waren schon immer Queer, diese Geschichte wurde nur sehr lange marginalisiert und ist bis heute kaum bekannt. Wenn man heute nur leicht unter der Oberfläche gräbt, stößt man auf das möglicherweise queerste Medium (bemessen nach dem höchst, äh, objektiven Queerness-Koeffizienten, wir sind hier ja immerhin bei Wasted).

Da bin ich total bei dir, weshalb ich gerade Bioware-Spielen in der Hinsicht auch sehr lauwarm gegenüberstehe: „Playersexuality“ (grauenhaftes Wort, aber nützliches Konzept für eben diese Unterscheidung) ist etwas völlig anderes als lesbische, schwule, bisexuelle Charaktere zu schreiben and I wish game devs would care about the difference more.

Sollte es, ja, allerdings machst du diesen Vergleich ja in deinem Artikel auf, wenn du mit Blau ist eine Warme Farbe auf der einen und The Last of Us Part II auf der anderen argumentierst :wink: Aber genau da liegt vielleicht eine wichtige Unterscheidung, wenn du diese Beispiele für so einen direkten Vergleich heranziehst: Das Produktionssegment, was im Kino ein „Mid-Budget-Drama“ wie Carol, Call Me By Your Name und Co sind, das gibt es in der Spielebranche nahezu nicht.

Klar, auf der einen Seite hast du die Call of Dutys und Uncharteds, die Megablockbuster mit enormen Budgets, für die James Cameron fast schon darüber nachdenkt aus dem Bett aufzustehen. Das sind Produktionen mit dermaßen finanziellen Risiko, dass sie niemanden verschrecken wollen – erst recht nicht die vermeintliche Kernzielgruppe. Deshalb hatte Assassin’s Creed jahrelang keine weiblichen Figuren und deshalb schneidet Disney in China noch das letzte bisschen Queerbaiting raus.

Dieses Mittelfeld, aus dem in deinem Artikel und hier im Thread die ganzen tollen Beispiele der Filmbranche genannt werden, das gibt es in der Form in der Spielebranche kaum. (Ich würde da mal so Produktionen wie Hellblaue reinziehen, das ja damals gerne „AA-Game“ genannt wurde.) Das liegt auch an den unterschiedlichen Auspielwegen beider Medien.

Videospiele sind durchlässiger für den „Indie-Überraschungshit“, weil die über Plattformen wie Steam und Co. mit sehr viel weniger Gatekeeping zu tun haben, als in der Filmbranche. Hier kann ein einzelner Mensch nahezu ohne Budget in seiner Freizeit ein Spiel entwickeln und damit ein potentielles Millionenpublikum erreichen.

Und das heißt…

Das stimmt wirklich nur, wenn due „Indiegames“ sehr, sehr, sehr eng definierst und die Arbeit von wirklich wegweisend wichtigen Autor*innen wie Christine Love, Llaura McGee, Robert Yang außen vor lässt oder rein auf klassische Liebesgeschichten beschränkst. Und das wäre aus meiner Sicht ein Fehler, weil die Möglichkeiten von dem was „Indie“ ist bei Life is Strange überhaupt erst anfängt.

Und deshalb nur kommentiere ich so ausführlich zu deinem wichtigen, richtigen Debattenanstoß: Weil bei einer zu engen Definition und einem nicht ganz deckungsgleichen Vergleich zweier Branchen die vielfältige, tolle Arbeit am Rande des Mainstreams in der Spieleszene übersehen wird.

Und wenn die politics eines Konzerns wie Disney eins zeigen, dann, dass man sich m. E. nicht auf diese Konzerne verlassen darf, wenn man sich queere Geschichten wünscht – vor allem, wenn die längst existieren und und ihr Publikum an den Gatekeepern vorbei finden.

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Da hast du mir in der Zitation einen wichtigen Satz ausgelassen: Natürlich sind meine Kino-Beispiele im Text bei Weitem nicht die ersten Filme, die von lesbischer Liebe erzählen. Sie waren von Anfang zumindest mit größerer Selbstverständlichkeit ein Teil des Kinos, als sie Teil der Gaming-Welt waren. Und das, obwohl die Gaming-Geschichte ja viel später und damit in einem gesellschaftlich liberalerem Klima einsetzt, als die Filmgeschichte. Ob die Art der filmischen Repräsentation gelungen war, kann man aus heutiger Sicht natürlich stark anzweifeln (ich spreche im Text bspw. auch vom lange gehegten Bury-Your-Gays-Trope), aber immerhin gab es sie!

Ich möchte der Videospielwelt gar nicht absprechen, dass es dort früh Figuren gab, die in irgendeiner Form queer waren. Ich habe mich in Anschluss an die Rainbow Arcade Ausstellung im Schwulen* Museum Berlin intensiver mit der Entwicklung queerer Repräsentation in Games auseinandergesetzt, weil mich das, was ich dort über das Vorkommen von nicht-heterosexuelle Figuren gesehen habe, ziemlich enttäuscht hat. In den allermeisten Fällen waren die Rollen minimal und die Queerness musste man sich nicht selten umständlich hinzudenken.

Belehre mich gerne eines Besseren (ich würde mich ja wirklich freuen, wenn es anders wäre), wenn mir etwas entgangen ist, aber mir wäre nichts begegnet, das ansatzweise an die Tragweite eines „Mädchen in Uniform“ (1931) oder eines „Rebecca“ von Alfred Hitchcock (1940) heranreichen würde, wenn wir von der Darstellung queerer, in dem Fall ausdrücklich, lesbischen (mein „Fachgebiet“, sorry :wink: ) Begehrens sprechen. Und dafür braucht es nicht mal ein unter der Oberfläche zu graben. Wahrscheinlich müsste ich meiner obigen Definition von eher neben dem früher und häufiger ein intensiver bei größerer Reichweite hinzufügen, damit verständlicher wird, auf welche Art der Repräsentation ich hinauswill.

Aber selbst wenn wir auf das Jetzt blicken, wo es im Film eben sehr wohl überaus hochwertig erzählte lesbische Liebesgeschichten gibt, die spätestens seit „Blau ist eine warme Farbe“ (Goldene Palme in Cannes) mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei Preisverleihungen berücksichtigt werden, vermisse ich Ähnliches nachwievor in der Gaming-Welt. Da spielt es zunächst eine untergeordnete Rolle, ob im Blockbuster- oder Indie-Bereich.

Mit „untergeordneten Rolle“ ob im „Blockbuster- oder Indie-Bereich“ meine ich, dass ich für die Qualität der Repräsentation, die die von mir genannten Filmbeispiele des jüngeren queeren Kinos liefern, noch keine ähnliche Entwicklung in der Gaming-Welt finde. Weder im einen, noch im anderen Bereich.

Wie oben ergänzt: Eine gewisse Reichweite oder Breitenwirksamkeit immer mitgedacht.
Im Text gehe ich zur „Repräsentation“ weder auf Menschen ein, die in ihrer Freizeit ein Spiel entwickeln, noch auf die unzähligen Hobby-Filmprojekte. Wo es um Vielfalt womöglich besser bestellt ist, weil man bei aller eigener finanzieller Unsicherheit zumindest keine Millionenverluste zu befürchten hat.

In der Film- und Serienwelt haben sich Wege gefunden, dass hochwertige LGBTQ-Geschichten auch zusehends im Mainstream zu sehen sind. Warum sollten queere Gamer*innen sich dauerhaft damit vertrößten müssen, sich gar nicht oder nur in überaus nieschigen Titeln repräsentiert zu fühlen? Wie oben geschrieben: In AAA-Titeln queere Romanzen zumindest häufiger zur Option zu machen, wäre ja wenigstens schon ein gewisser Fortschritt. Mehr wie „Life is Strange“, das in Sachen Produktionskosten „Blau“, „Porträt“, „Call me“ und „Moonlight“ ähnelt (teils übersteigt), wäre ja auch schon zauberhaft :wink:

Das möchte ich keinesfalls. Aber vielleicht ist mittlerweile die Stoßrichtung meines Textes auch ein bisschen klarer geworden: Mir geht es genau darum, dass ich gar nicht einsehe (sorry), dass Queerness am Rand stattfinden soll. Dass tut sie mittlerweile in der Film- und Serienwelt zumindest in einem weitaus geringerem Maße als früher. Dazu musste sich auch einiges ändern, nicht zuletzt die Bereitschaft des Publikums, sich auf derlei Geschichten einzulassen. Ich glaube nicht, dass das im Gaming-Bereich unmöglich ist.

Ich ziehe gar nicht in Zweifel, dass es seine Gründe hat, dass es diese Entsprechung nicht gibt. Meiner Meinung nach ist eine Bestandsaufnahme als solche dennoch gerechtfertigt. Jedes Medium hat seine Gesetzmäßigkeiten, aber sind sie unabänderlich?

Und wenn die politics eines Konzerns wie Disney eins zeigen, dann, dass man sich m. E. nicht auf diese Konzerne verlassen darf, wenn man sich queere Geschichten wünscht – vor allem, wenn die längst existieren und und ihr Publikum an den Gatekeepern vorbei finden.

Von „verlassen“ spreche ich auch gar nicht. Aber auch nicht davon, den „Status Quo“ zu akzeptieren. Weder bei Disney, noch bei AAA-Titeln. Wir sehen ja immer wieder, dass sich Dinge verändern: Wir haben ja mittlerweile immerhin schon ein paar mehr weibliche Figuren, die tatsächlich eine tragende Rolle spielen, und sich ihren Platz nicht mit einer übergroßen Oberweite verdienen müssen :wink:

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Absolute Zustimmung, dass bei AAA mehr passieren muss (und bin bis heut enttäuscht, dass das Tomb-Raider-Reboot seinem Teasing keine echte Liebesgeschichte hat folgen lassen). Wobei ich das halt auch für AAA-Filme weiterhin stehen lassen würde.

Es würde der Branche sicher gut tun, wenn der finanzielle Spielraum für mehr Hellblades da wäre. (Auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen.) Einerseits verspricht die langsame Aboisierung mehr „mittelgroße“ Spiele, andererseits bringen Merger wie der von Microsoft und Activision die Spielebranche noch näher an die Mono-Konzern-Dominanz von Disney. Bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Andererseits ist es aus meiner Sicht eine Stärke von Spielen, dass es eben diese große Durchlässigkeit „echter“ Indieproduktionen zum Mainstreampublikum gibt.

Ich kenne beide Filme ehrlich gesagt nicht, weil Filmgeschichte wiederum kein Gebiet ist, auf dem ich mich auskenne, deshalb sag ich da nix zu. Allerdings ist zu bedenken, dass die Spielebranche generell ein Archivierungsproblem hat: Das früheste Beispiel Caper in the Castro aus der Rainbow Arcade etwa galt lange als verschollen. Was natürlich auch stimmt: Vieles fand und findet im DIY-Bereich statt und hat entsprechend auch keine Sichtbarkeit. Das was mit dem Internet Durchlässigkeit ist, war früher scheinbar noch mehr Gatekeeping.

Gerade in den letzten paar Jahren finden sich aber immer wieder prominente Indiespiele, die imo in der anders strukturierten Spielebranche das sind, was Carol, Call Me By Your Name, Blau ist eine Warme Farbe in der Filmwelt waren: Wirtschaftlich rentable Filme, aber keine Blockbuster, kritisch hochgelobt und mit langem Atem im Diskurs: Gone Home war 2013 eins der wichtigsten Spiele des letzten Jahrzehnts. Referenzen zu Night in the Woods tauchen Jahre später in Songs von Millennials auf. Das venezolanische VA-11 HALL-A hat sich gut verkauft und Kultstatus erreicht. Die schwule Dating-Sim Dream Daddy war ein Erfolg. Diese als „hochwertige LGBTQ-Geschichten“ mit Anschlussfähigkeit an ein Mainstreampublikum abzutun, wäre aus meiner Sicht ein bedauerlicher Fehler.

Der Vergleich, den du aufmachst ist ein guter Startpunkt für kritische Diskussionen beider Branchen, aber als einzigen Referenzrahmen ein anderes Medium heranzunehmen birgt auch die Gefahr, dass man das viele was bereits an Geschichten da ist und ein großes Publikum gefunden hat ein Stück weit hinten überfällt, weil die Parallelen nur auf manchen Ebenen funktionieren. Dieses „Mittelfeld“ beider Branchen überlappt halt nicht deckungsgleich und Life is Strange und die anderen Beispiele näher beisammen, als man denken mag. (Genaue Verkaufs- und Spieler*innenzahlen sind leider immer so ein bisschen guessing game.)

Klar, in der AAA-Branche bleibt es weit zurück. Ich will dafür plädieren, die „Nische“ über den Mainstream-Produktionen nicht zu leicht abzutun. Die Spiele oben stehen alle auf den Schultern dieser „Nischenspiele“. Wenn man den Blick zu eng fasst, dann würde der Wunsch nach mehr „AAA-Style“ Spielen zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. (Zumal bei Mainstream-Spielen, ebenso wie bei vielen der Filmen, dann selten „own voices“ hinter der Kamera/Engine stehen, aber das ist ja nochmal ein ganz anderes Fass, haha.)

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Was mir nicht klar ist: warum sollte ein Entwickler/Publisher das große (shitstormige, finanzielle) Risiko einer queeren Hauptfigur eingehen? Dem müssten schon enorme Vorteile gegenüber stehen, die ich aber im Moment nicht sehe.

Der Weg, den die Filmbranche geht, ist über Auszeichnungen und Preise. Bei Filmfestspielen und auch der Oscar-Verleihung wird großen Wert auf Diversität gelegt, und solche Auszeichnungen kurbeln dann auch die Verkaufszahlen an. Hm. Wie würdet ihr reagieren, wenn Diversity mehr oder weniger offen zu einem Kriterium für Gaming-Preise werden würde?

Davon abgesehen, nachdem ich die zitierten Studien angeschaut habe, halte ich es in diesem Kontext ein wenig mit Planck: neue Wahrheit setzt sich nicht durch, indem ihre Gegner sich überzeugen lassen, sondern indem sie sterben und die neue Generation mit der Wahrheit aufwächst (auch wenn das vielen vielleicht nicht schnell genug geht)…

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Aus Sicht eines Publishers zählt wohl (fast) nur das Geld.
Doch manche großen Entwickler und ihre Writer haben doch hoffentlich die Ambition mehr als nur die tausendste dröge 0815-Story zu schreiben und erzählen.

Daran ändern wird sich vermutlich nur langsam etwas. Stück für Stück.

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Mein Vergleich war in erster Linie eine Feststellung, dass es die Menge und Breitenwirksamkeit an Repräsentation, wie wir sie im Kino haben, in der Spielewelt noch fehlt. Das ist weiterhin mein Eindruck: Suche ich mittlerweile nach einem LGBTQ-Film, habe ich mehr (hochwertige und leicht auffindbarere) Optionen, als es bei Games der Fall ist. Das Gleiche gilt für Literatur. Selbst für Musik.

Ich halte es wirklich nicht für einen hot take, dass Videospiele hier hinterherhinken. Deinen Einwand, dass zu den Gründen dafür eben auch höhere Produktionskosten und andere Ausspielmöglichkeiten zu bedenken sind, stimme ich durchaus zu. Ich finde nur nicht, dass man dabei stehen bleiben sollte, dass die Branchenverhältnisse eine ähnliche Entwicklung nicht hergeben. Da lässt du mir wiederum die Branche ein wenig zu schnell vom Haken. :wink:

Auch in anderen medialen Bereichen gab (und gibt) es stets viele Gründe und Einwände, warum es ein viel zu großes Risiko darstellen würde oder es schlicht nicht möglich ist, Queerness ausführlicher zu thematisieren oder gar in den Fokus zu rücken. Nicht, dass hier nun alles so wunderbar wäre: Aber die Sichtbarkeit ist viel größer geworden, LGBTQ-Geschichten gehören, ich bleibe dabei, in der Filmwelt wesentlich stärker zum Kanon als in der Gaming-Welt. Dass es seine Gründe hat, dass es in letzterer langsamer geht (die eben auch über finanzielle Aspekte hinausgehen) will ich gar nicht in Abrede stellen.

Wenn du mit der Umschreibung „großer Player“ einzig die Summen als Vergleichswert nimmst, und als einzige Gegenüberstellung zu „AAA“-Titeln Produktionen von Disney als Gegenüberstellung akzeptierst, hast du recht: Dort sieht es nicht viel besser aus. Für mich bezieht sich diese behelfsweise Umschreibung im Teaser aber schlicht auf „Rang und Namen“ in der jeweiligen Branche. Ich wiederhole mich, aber ich bin der Auffassung, dass LGBTQ-Repräsentation nicht überall den gleichen Stellenwert hat.

Dass durch diesen „Rant“, als den ich meinen Text ja durchaus auch sehe, Geschichten hinten überfallen, die es bereits gibt, sehe ich nicht. Ich finde, dass beides seine Berechtigung hat: Manchmal gilt es das herauszustellen, was wir schon haben. Was es an tollen Entwicklungen gibt, gerade auch abseits des Mainstreams. Und manchmal darf (oder sogar: muss) man Kritik üben, dass es einfach noch viel zu wenig gibt. Mit einem „Zufriedengeben“ ändert sich meist gar nichts.

Damit danke ich dir jetzt aber auch für unsere Debatte (und guten Hinweise zu Spieletipps oben!) und lass es gut sein, bevor wir uns hier allzu sehr im Kreis drehen - wo wir am Ende wahrscheinlich zumindest etwas Ähnliches wollen. :rainbow:

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Mein Gott, man ist differenzierte Diskussionen gar nicht mehr gewohnt o.o

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Was mir beim Lesen der Kolumne noch nicht so ganz klar geworden ist: warum ist es so wichtig, dass mehr mehr queere Beziehungen in Videospielen gezeigt werden?

Und vielleicht sollte man nochmal näher den Gründen nachgehen, warum dies ein finanzielles Risiko darstellt. Aus meiner Sicht ist in Videospielen durch das interaktive Element die Identifikation mit den Protagonist*innen deutlich stärker als beim Film, vielleicht haben damit viele ein Problem, weil dies die Immersion bricht.

Auch das Eskapismus-Argument lässt sich anbringen, dass Spieler dieses Thema und diese gesellschaftliche Debatte aus ihren Spielen bitteschön raushalten wollen (weil es darin um was ganz anderes geht!).

Aber nochmal: was genau soll durch mehr Repräsentation von LGBTQ-Geschichten erreicht werden? Warum ist das so wichtig? Ich bin zwar heterosexuell, aber alt und dick. Ich fühle mich auch nicht sonderlich in Videospielen repräsentiert (zumindest nicht als Protagonist). Aber ich habe mich damit abgefunden.

[/Advocatus Diaboli]

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Gegenfrage: Warum hast du dich damit abgefunden?

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Eine gute Frage. Vielleicht ist „abgefunden“ das falsche Wort. In den allermeisten Fällen ist es mir nicht wichtig.
Ich würde mich gerne repräsentiert fühlen in Spielen, die mit meiner Lebenswelt zu tun haben oder darauf übertragbar sind. Also in meinem Kulturkreis und meiner Zeit stattfinden, wo Konflikte gewaltfrei gelöst werden usw. Vielleicht habe ich mich damit abgefunden, dass solche Spiele eher selten sind.
Denn in allen anderen Settings ist es mir egal, das sind einfach Geschichten. Sei es Fallout, sei es Star Trek, sei es Herr der Ringe, sei es Assassin’s Creed. Da ist es mir völlig schnuppe, weil ich nicht Teil dieser Welten bin. (Es würde mich viel eher stören, wenn dort zwar alte, dicke Menschen rumlaufen, die aber nur klischeehaft dargestellt werden.)