Brief und Sigl: Free to Pay – WASTED Magazin
Alle zwei Wochen setzt sich Rainer Sigl an seine Tastatur und schreibt dir einen Brief. Ja, dir. Es geht um die großen, wichtigen, letzten Dinge: Sex, Tod, die Liebe, das Leben, den Sinn des Ganzen. Und um Videospiele. Große, kleine, teure, obskure, die Menschen, die sie machen, kritisieren, spielen und lieben. Kurzum: Es geht ans Eingemachte. „Brief und Sigl“ ist eine Depesche aus dem Ludoversum.
Herz dafür!
Eine Frage habe ich noch immer im Kopf rumschwirren:
Was würde passieren, wenn ich an jedes F2P-Game mit folgender Prämisse rangehen würde.
Für einen anderen Titel hätte ich ja rund 50 Taler ausgegeben. Genau diesen Betrag lege ich mir jetzt zur Seite und kaufe mir nun im Verlaufe der Spielrezeption Zusatzinhalte (z.B. fünf Mal den Battle Pass, oder eben 10 leuchtende Skins).
Angenommen ich könnte der Bezahlspirale entkommen, sobald die 50€ aufgebraucht sind: Würde das irgendetwas besser an dem Konzept F2P machen?! Wahrscheinlich nicht, oder doch?
Was denkt ihr?
Tja, wenn du das so machen würdest, wäre das sicherlich keine größere finanzielle Belastung für dich, als wenn du einen Normalpreistitel erworben hättest. Ich hingegen würde ja maximal 19€ Budget vorhalten, das ist der Preis für die game of the year edition drei Jahre später. Aber weder Dein Budget noch meins würden das Design dieser Spiele verbessern, denn um uns geht es bei f2p nicht, auch wenn das in der PR immer suggeriert wird. Du spielst normal Dein Spiel und kaufst halt mal ein Cape oder eine Kiste? Nein, wenn das das Ziel wäre, würden die Teile nicht ein Vielfaches der normalen Ergebnisse einspielen. Die dreckige Wahrheit über f2p ist, dass diese Spiele nicht nur ein bissl am einarmige Banditen erinnern, sie funktionieren genau so:
Ein geringer Prozentsatz der Menschen ist anfällig für extremes Suchtverhalten in Spielen. Ich kann es dir nicht genau erklären, aber die übliche Kosten-Nutzenrechnung funktioniert bei denen einfach nicht. Wahrscheinlich ist das bei denen genauso wie bei mir, wenn du mir eine Tafel Schokolade gibst. Ich weiß genau, dass es keine gute Idee ist, die komplett runterzuknuspern, aber bevor dieser Gedanke in meinem Hirn angekommen ist, ist die Tafel schon weg.
Zurück zu diesem, sagen wir mal, einen Prozent der Menschen. Die werden halt nicht dick weil sie sich bei Schoki nicht unter Kontrolle haben, sondern sie werden arm, weil sie sich bei p2w nicht unter Kontrolle haben. Vielleicht werden sie auch nicht arm, weil sie einen guten Job haben und irgendwie ihr Suchtverhalten in eine funktionierende Biographie einbetten können. Tatsache ist aber, sie schmeißen Geld auf das game und zwar wie verrückt. So verrückt, dass du mit den Einnahmen Städte wie Las Vegas aus dem Boden stampfen kannst. So verrückt, dass sich davon eine gratis Spieleentwicklung für 99% der anderen Menschen finanzieren lässt, aber eben auch so verrückt, dass alle anderen zahlenden Kunden unwichtig werden und du Deine ganze Branche auf dieses eine kranke Prozent (krank, weil dieses Suchtverhalten wirklich viel Leid verursacht) ausrichten kannst. Und games sind so herrlich dafür geeignet, weil du kannst deine Opfer bereits ohne jeden Jugendschutz anfixen, solange sie noch 16, 12, 8 Jahre alt sind. Kindermarketing, yeah! Am besten, noch bevor sie ein Gefühl für Geld entwickeln und die Kreditkartendaten ihrer Eltern zocken können.
Dieses Modell macht gaming, wie wir es kennen, kaputt, und zwar auch für die Entwickler. In solchen Firmen, die sich auch f2p spezialisieren, gibt’s keinen Schwerpunkt auf Kreativität, Originalität oder irgendwas. Da wirst du als Entwickler in eine Maschine gesetzt und hast jeden Tag das Poster mit dem Cash-Zyklus vor der Nase - denn du bist nicht derjenige, der da irgendwas entscheidet. Diejenigen, die dort das Sagen haben, sind irgendwelche kranken Wichser, die straight aus der Mafia in die tech-branche investieren, weil wieso koks und heroin anbauen, wenn man genauso gut Pferderüstung anmalen kann? Und wieso dann nicht trotzdem noch koks und heroin anbauen, weil wer weniger schläft zockt länger?
Nein, du wirst dieses abgefuckte Prinzip nicht verändern, weil du Dir 50€ nur für dieses Spiel an die Seite legst. Tatsächlich wird sich in diesem Firmen niemand einen feuchten Kehricht um deine 50€ scheren. Denn um dich geht’s da nicht und um mich auch nicht.
Ach ja, bevor mich jemand falsch versteht ich denke, das Blizzard nicht eines dieser mafiösen Unternehmen ist und auch der Seitenhieb mit der Pferderüstung ist genaugenommen nicht ganz zutreffend,weil Blizzard und Bethesda ja beide aus der ‚klassischen‘ Entwicklerrichtung kommen. Insofern kann Deine Überlegung bei diablo immortal vielleicht sogar ganz gut funktionieren, aber Blizzard umarmt da eben ein Geschäftsmodell, das aus einer ganz ekelhaften Richtung kommt und ich finde nicht, dass man die weiter etablieren sollte. Ich finde, und das meine ich jetzt wirklich ernst, dass f2p verboten werden sollte, genauso wie Glücksspiel.
Entschuldige, dass ich mich jetzt speziell auf diesen einen Satz stürze … ansonsten würde ich aber größtenteils zustimmen.
Ich halte „f2p“ nicht für das eigentliche Problem, sondern den massiven Missbrauch manupulativer Mechanismen.
Es gibt ja immerhin Spiele, die beweisen, dass f2p auch ohne (oder aber zumindest mit deutlich weniger) davon auskommen. Ich finde Herr der Ringe online dafür ein super Besipiel: Das Grundspiel ist kostenlos, größere Erweiterungen kann man als Addon kaufen und per Monatsabo gibts n paar Komfortfunktionen.
Auch Apex gehört zu den okayen Spielen, bezahlen ist nur nötig, wenn man keine Geduld hat die Helden freizuspielen (und die sind nicht nötig um zu gewinnen) oder man Skins haben will - welche so unverschämt teuer sind, dass sogar ich nicht zugreife.
Auch mobilespiele wie Rogue Adventure (ähnlich wie Slay the Spire) zeigen, wie es gehen kann.
Hier kosten Werbung entfernen und alle (alternativ freispielbaren) Inhalte freischalten zusammen n Zehner - weitere Kaufoptionen gibt es nicht.
Ja, wäre es nicht erstmal kostenlos würde das Spiel vmtl. keiner ungesehen Kaufen, aber nicht weils das nicht Wert ist, sondern weil man ja alles umsonst haben muss - aber das ist nochmal ein anderes Thema.
Auch in b2p Spielen geht es nicht um uns. Wieviele Vollpreisspiele mit bullshit Erweiterungen gibt es? Man schaue auf die Sims oder Dead or Alive die, wenn man sie komplett haben möchte, nicht in der goty 19,99 kosten, sondern 3-4 stellige Beträge (große Simulatoren mal außen vor gelassen).
Achso und auf Ubisoft, die gemerkt haben, dass Spiele auch mehr als einen Seasonpass haben können und dass es Menschen gibt die für Erfahrungsbooster oder crafting Materilien in AC extra bezahlen. Und damit steht das böse Ubisoft ja nichtmal alleine. Wieviele „DLCs“ im Stil einer Pferderüstung gibt es bspw. für Tomb Raider oder Hitman? Wieviele extra Autos und Waffen kann man in Mafia kaufen (ab Teil 2, vor den remasters)?
Ich denke nicht, dass sich der ganze Scheiß verbieten lässt - dafür sind die ganzen dark patterns schon zugut in alle Bereiche unseres Lebens eingedrungen.
Ja, das sind gute Argumente, und im Prinzip können wir uns gern auf die manipulativen Mechanismen einigen. Die große Frage ist halt, wo fangen die an? Und für ein Verbot müsste man das halt schon genau definieren. Und das ist halt letztlich eine juristische Frage, die wir hier eh nicht klären können. Ich denke, dass es gesellschaftlich schon eine relevante Forderung ist, manipulative Designmechanismen in Software zu regulieren, denn das betrifft ja im breiteren Sinne nicht nur games sondern auch social media. Oder Serien, die mich mit Laberfolgen quälen, die nur auf den Cliffhanger am Ende zulaufen, der mich zwingt, noch eine Folge zu schauen. Der letzte Satz ist natürlich nicht ernst gemeint und zeigt gleichzeitig, wie schwer das zu definieren sein dürfte, denn auch da geht es ja darum, uns dazu zu bringen, Lebenszeit in ein bezahltes Abo umzuwandeln. Hm. Ja, schwierig, aber die Lösung kann dann auch nicht sein, die Verbreitung dieser dark patterns hinzunehmen. Und wie bei so einigen Dingen, die in unserer Gesellschaft gerade nicht so super laufen, finde ich es falsch, die Verantwortung hier komplett auf die Konsumenten zu schieben.
Das und die tatsache, dass der F2P markt den gamingmarkt im gesamten absolut dominiert, und die entwicklung auch nicht so aussieht, dass das demnächst ein ende hätte, lässt mich die ganzen „spiele sind kunst“ und „gaming ist erwachsen“ artikel inzwischen nur noch mit einem müden lächeln konsumieren.
Wenn ich sie denn überhaupt noch lese.
Da denk ich mir immer: auch wenn bestimmt schon wahre kunstwerke mit scheiße erzeugt wurden, so muss ich den akt des „klogehens“ nicht als kunst überhöhen
Aber nur weil es dumme Popkulturdrucke auf Etsy gibt, die sich alle gegenseitig kopieren ist ja ein Werk von zB Tim Berresheim (um mal wen zeitgenössischen der teilweise mit Popkulturellen Versatzstücken arbeitet zu nennen) ja immer noch Kunst.
Man muss halt etwas suchen.
Und so ist das bei Spielen doch auch. Viel links liegen lassen und sich auf die Schönheiten konzentrieren.
Der Gedankengang ist unsinnig. Weil es schlechte Bücher/Filme/Platten gibt, sind Bücher/Filme/Platten als Medium scheiße? Das ergibt keinen Sinn.
Ich finde nicht, dass es in der Debatte primär um das Geld geht. Klar, den Firmen geht es ums Geld, aber wesentlich ist meines Erachtens, wie @bormioli auch schon andeutete, dass solche süchtig machende Spielmechanismen überhaupt entwickelt wurden, die unser Spielverhalten steuern. Schlimmer noch: dass wir diese auch noch feiern!
Denn diese Mechanismen finden auch in anderen, normalen Vollpreisspielen Anwendung. Die ganzen hochgelobten, „süchtigmachenden“ (yay!!) Spiele, insbesondere die modernen Roguelikes wie Slay the Spire, scheinen diese Formel perfektioniert zu haben. Es ist ein Irrglaube, daran sei nichts Verwerfliches. Wer schon mal eine Uniklausur oder eine Firmenpräsentation versemmelt hat, weil er den Abend und die Nacht davor gezockt hat, statt sich vorzubereiten oder zu schlafen, wird vielleicht wissen, was ich meine. Das Drogenproblem wird auch nicht dadurch gelöst, dass man Drogen kostenlos verteilt.
PS: Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es gibt natürlich sehr viele Spiele, die mich länger binden als ich wollte, wo ich es nicht verwerflich finde (gerade Spiele mit einer hohen Immersion, mit einer fesselnden Story), wie z.B. auch ein gutes Buch. Der zentrale Unterschied: diese Spiele sind nicht repetitiv.
Aber es gibt nur ganz wenige Bücher, die das Ziel haben, dich süchtig zu machen und dir dein Geld aus der Nase zu ziehen.
Sobald es Bücher gibt, wo ich mir per Geldüberweisung einzelne Seiten freischalten kann, teile ich deinen „Unsinn-Gedanken“.
@tilmobaxter mir gehts nicht um „schön oder nicht schön“, oder „gut oder schlecht“, oder „spassig oder langweilig“. Mein Geschmack ist nicht sehr wichtig in dieser Sache
Hier gehts um profane Mechaniken die mit dem ursprünglichen Medium „Computerspiel“ nix mehr zu tun haben.
Wie wenn TV das Gros ihres Umssatzes mit miesen Machenschaften wie Astro-TV verdienen würde…soweit ist es aber meines Wissens nach nocht nicht.
Bei Games ist F2P Scheisse ja nicht die Ausnahme sondern die Regel geworden (umsatztechnisch sowieso)
Die Verteufelung des ganzen Mediums aufgrund eines wie auch immer gearteten perversen Mainstreams ist trotzdem Unsinn, sorry. Umsatztechnisch mag F2P King sein (pun intended), aber es gab noch niemals zuvor zugleich so viele großartige, intelligente, subversive, originelle, spannende und von so unterschiedlichen Menschen gemachte Spiele wie jetzt. Kind bitte nicht mit dem Bad ausschütten.
das stimmt.
Für mich haben die beiden Sachen aber inzwischen so wenig miteinander zu tun, dass ich die ganz schwer noch unter einen Hut wie „Gaming“ bringe.
Das eine Videospiel, das andere verstecktes Glücksspiel (ohne Gewinnchance).
BTW: ab einem gewissen Grad an Sauerei verteufele ich die Branche im Ganzeb.
Ohne Zahlen zu kennen , hat die AAA Spieleindustrie diesen Bereich überschritten.
Bei der Waffen und Werbeindustrie differenziere ich auch nicht
Definitiv jein
Aber verstehe was Du meinst.
Einigen wir uns wie schon angedeutet darauf das wir alle f2p doof finden.
Nä, das ist mir zu einfach. Das Problem ist größer und hat den Ursprung nicht beim Gaming.
Klar, geht es hier bei Wasted hauptsächlich um Computerspiele, aber warum sollten auch gerade die verschont bleiben wenn die fiesen Dark Patterns unser ganzes Leben bereits durchdrungen haben. Wenn ich hier gegen die bösen f2p Spiele sein soll, muss ich dann nicht auch jedes Glas Nutella doof finden, welches mit „nur jetzt 25% mehr drin“ angeprisen wird?
WIr reden hier also nicht von der
, sondern von der Verteufelung genau dieses perversen Mainstreams. Die schlechten Trends enstehen ja nicht in der gaming Branche, sondern werden von so Leuten wie Bobby Kotick reingetragen. Das nicht das ganze Medium befallen ist ist klar, aber wie ich schon sagte, ist ja auch nicht das ganze f2p betroffen.
Ich finde ansonsten den Punkt, welchen @Mr.L hervorgehoben hat wichtiger, als f2p zu haten. Ich werde zwar nicht mit auf Slay the Spire treten (da häng ich zusehr dran) merke aber auch, wie unglaublich viel Zeit ich in völlig bekloppten Spielen, mit absolut unnötigen Tätigkeiten verbringe. Spielen, die nicht mein Geld wollen, die einfach nur meine Zeit fressen.
Und damit meine ich garnicht sowas wie Monster schnetzeln in Diablo (das macht ja wirklich Spaß), sondern so unsinn wie den Cookie Clicker - „Spiele“ bei denen man sich hinterher fragt, was man da eigentlich gemacht hat und am nächsten Tag trotzdem nochmal „nur n paar Minuten“ reinschaut.
Und zum Thema
… du meinst Bücher aus Papier, oder?
Sonst schau mal bei Toomics oder Webtoon rein, da gibt es sowas schon - Schließ ein Abo und lies was du willst oder kauf Münzen mit denen sich einzelne Kapitel freischalten lassen - die Münzen kann man aber auch verdienen, indem man schlechte Mobile-Spiele installiert und in kanpper Zeit ein hohes Lvl erreicht
Ich verstehe gar nicht wieso du das überhaupt bei F2P erwähnst. Es ist nicht kostenlos (mit 25€ sogar rel. teuer) , noch zieht es dir das Geld aus den Taschen um ein Bedürfnis zu erfüllen.
Dark Patterns stehen mit einem Kauf bzw. Geldgenerierung in Verbindung (möglichst lange auf der Webseite bleiben, cookies usw.).
Da ging es nichtmehr um den hate auf f2p, sondern den hate auf die zugrunde liegenden Mechaniken, welche auch in anderem Zusammenhang auftreten. Slay the Spire war Mr. Ls Besipiel dafür:
Ganz recht. Und übrigens interpretiere ich @RainerSigl so, dass er es ähnlich sieht. Er schließt seinen Brief nicht beispielsweise mit einem Gedanken, wofür man das Geld, das F2P uns aus der Tasche zieht, sonst sinnvoller ausgeben könnte, sondern bezieht sich explizit auf die verlorene Zeit mit dem Satz: „Das Leben ist zu kurz.“
Da wir uns hinsichtlich des monetären Aspektes einig sind, fände ich es spannend, die Diskussion in diese Richtung fortzuführen.
Stimmt, es geht mir nicht (nur) um den finanziellen Aspekt. Siehe hier, Oldie but immer noch wahr: Warum ich nicht Diablo III spiele | videogametourism.at