Метро / Metro (Exodus): Essay (ohne Spoiler)

Liebe Wasted-Community: Hallo! Ich möchte hier einen Text von mir über die Metro-Spiele Metro Exodus und Metro 2033 und über den Roman Metro 2033 teilen. Ich habe Gedanken beim Spielen notiert und überlege, was Metro als Spiel bedeuten kann; es geht auch kurz um Death Stranding. Spoiler werden so gut es geht vermieden, einige unwesentliche Dinge werden verraten.

Metro Exodus

In Metro Exodus spiele ich Artjom, der auch der Held der Metro-Romane von Dmitri Gluchowski, Дми́трий Алексе́евич Глухо́вский, ist. Ich habe die Romane nicht gelesen, aber meine Schwester sagt, dass sie ihr gefallen. Exodus ist der dritte oder vierte Teil einer Reihe von Metro-Spielen, die ich auch nicht kenne.

Metro spielt in einem „postapokalyptischen“ Moskau, das nur mehr aus Ruinen besteht, weil die Welt in einem Atomkrieg zerstört worden ist. Die Überlebenden hausen in den Tunneln und Stationen der Moskauer U-Bahn, der Metro; dorthin sind die Menschen geflüchtet als Atombomben abgeworfen worden sind (von wem eigentlich?) und seit ungefähr zwanzig Jahren wird der Moskauer Untergrund bewohnt. Aufgrund der radioaktiven Strahlung ist eine Rückkehr an die Oberfläche unmöglich. Durch die radioaktive Strahlung sind Tiere zu Monstern mutiert; sie hausen in den Ruinen der menschlichen Zivilisation, dringen immer wieder in die Metro ein und attackieren dort die Menschen. Artjom (das bin ich), glaubt aber an die Existenz unverstrahlter Gebiete und an überlebende Menschen an der Oberfläche und er sucht bei heimlichen Ausflügen an die Oberfläche nach Funksignalen von anderen Überlebenden.

Artjom (das bin ich), findet bald auch solche Signale und Metro Exodus ist die Suche nach einem Ort, an dem man leben kann. Die home base in Metro Exodus ist ein fahrender Zug, die Aurora; ich selbst habe zwar keinen engen Bezug zur Eisenbahn, aber mir gefällt diese Zugatmosphäre: eine Dampflokomotive mit Kohleofen, Waggons mit wohnlichen Abteilen, eine Werkstatt, und darin verteilt die Figuren, mit denen ich mich über die Reise unterhalte, während ich durch das Fenster die vorbeirauschende Landschaft beobachte.

Ich spiele Metro Exodus abends und gehe danach schlafen. Manchmal träume ich vom Spiel: Ich bin in Polen, in Wrocław, wo ich, als ich das erste Mal dort war, verpasst habe, das Racławice Panorama zu besuchen. Aber diesmal habe ich dafür Zeit und es stellt sich heraus – ich wusste es –, dass es ein Museum ist, durch das man mit einem kleinen Zug fährt, einem kleinen Tingel-Tangel-Bus mit offenen Waggons wie es sie für TouristInnen gibt. Das Museum ist riesig und größtenteils unterirdisch. Der Zug geht auf die Idee zurück, allen BesucherInnen „die selbe Erfahrung“ zu vermitteln und ihnen den langen Fußweg durch die weitläufigen Räume zu ersparen. Ich sitze im Zug und lasse mich durch die Räume mit den Bildern fahren. Für mich ist die Fahr zu schnell, ich bekomme nur wenig mit. Am Ende findet eine Performance mit tanzenden Männern statt, der berühmte Abschluss der Zugfahrt, und alle BesucherInnen landen in einem Museumsshop. Dort fällt mir ein, dass ich den anderen Zug, mit dem ich wieder nach Hause fahren wollte, verpassen werde, vielleicht habe ich ihn schon verpasst. Ich muss nicht nur zum Bahnhof, sondern brauche auch die Tickets in meinem Rucksack, den ich am Eingang zum Panorama abgegeben habe. Oder ist der Zug nach Hause schon abgefahren?

In Metro Exodus wird viel geredet, aber die Gespräche sind hölzern. Die Figuren reden so wie in einem Roman. Meine Frau oder Freundin Anna redet im Konjunktiv und verwendet manchmal schwerfällige Vergleiche. Die Fighter-Bros reden so wie Fighter-Bros reden, auch wenn sie nur im Zug sitzen und sich gegenseitig dazu auffordern, Schnaps zu trinken. Die Pause zwischen den Sätzen zweier Figuren dauert oft merkwürdig lange. Niemand unterbricht sich, aber manchmal finden mehrere Dialoge zugleich statt, vermutlich weil ich herumlaufe und so mehrere Dialogsequenzen starte. Vielleicht liegt die hölzerne Sprache auch an der deutschen Übersetzung; ich habe keine Option gefunden, die gesprochene Sprache umzustellen und es war mir auch nicht so wichtig. Auf uTube sehe ich, dass die Figuren in der englischen Version Englisch mit russischem Akzept sprechen, was mich noch mehr stören würde.

Ich lese im Internet Metro Exodos sei ein Open World Sandbox Survival Game: Anders als in den Metro-Spielen davor spielt Exodos größtenteils an der Oberfläche, wo ich mich frei bewegen kann. Die Landschaft sieht wunderschön aus; ich mag es, dass es so gut wie kein Interface gibt; das heißt, es werden keine Markierungen oder Pfeile angezeigt, denen ich folgen muss. Es gibt keine Gesundheits-Anzeige. Ich fühle mich frei, die Gegend zu erkunden. Es gibt keine tickenden Countdowns und ich werde selten von Spielfiguren gehetzt, die sagen, dass ich mich jetzt aber beeilen solle. Nichts drängt sich auf. Die Fahrt mit einem unsicheren Ruderboot ist sogar quälend langsam; ich soll damit zwar an einen bestimmten Ort rudern, aber fühle mich dazu eingeladen, an den kleinen Inseln am Weg dorthin stehenzubleiben. Das, was in anderen Spielen ein side quest ist, wird beiläufig in Gesprächen erwähnt, und wenn ich unaufmerksam bin, verpasse ich, worum es geht. Es gibt keine Belohnung, wenn ich sie erfülle, ich kann mir aussuchen, ob es mich interessiert, oder nicht.

(Das stimmt nicht ganz, weil es doch eine Belohnung gibt: In Metro gibt es ein „Karma-System“; wenn ich das mache, was verlangt wird, dann wird das Spiel „gut“ enden, anderenfalls „schlecht“; das wird im Spiel nicht verraten, aber es steht in jedem Online-Text über das Spiel).

Ich spiele Metro gerne und meine Schwester borgt mir zu Weihnachten die Romane. Der erste habe ihr gut gefallen, der zweite nicht so gut und es gebe noch einen dritten, den sie aber nicht gelesen hat. Romanserien, was für ein Trash, denke ich mir. Ich erschrecke mich, dass die Bücher so dick sind und nehme nur den ersten Roman mit über 800 Seiten, uff. Auf der Innenseite des Umschlags ist eine Karte abgedruckt mit den Stationen der postapokalyptischen Metro und Symbolen für die verschiedenen Bedrohungen im Tunnelsystem („Metale Gefahr“ zwischen den Stationen Alexejewskaja und Rischskaja, „Radioaktive Gefahr“ bei der Station Pawelezkaja usw.); was für ein Trash, denke ich mir. Auf Wikipedia lese ich, Gluchowski habe seinen ersten Metro-Roman im Alter von 18 Jahren zu schreiben begonnen und ihn später im Internet veröffentlicht. Wieder denke ich mir: Was für ein Trash. Ich amüsiere mich über den Satz „Text“ is Glukhovsky‘s first realistic (not the typical sci-fi) novel auf Wikipedia und wiederhole ihn für mich als „Text“ is Glukhovsky‘s first real novel.

Metro 2033 (Redux)

Ich spiele Metro Exodos und lese dazu Metro 2033 und bin gut unterhalten. Mir ist nicht klar, ob Metro 2033 ein Jugend-Roman ist. Ich ärgere mich ab Seite sonstwas darüber, dass der Heyne-Verlag die Station Poljanka in der Karte falsch eingezeichnet hat. Ich spiele Exodos zu Ende und kaufe mir im Steam Winter Sale Metro 2033 Redux um 3,99 Euro.

Es ist kompliziert, den Überblick zu behalten: Metro 2033 Redux (2014) ist eine überarbeitete Version des ersten Metro-Spiels Metro 2033 (2010); daher ist es für mich unklar, ob Exodos der dritte oder vierte Teil der Metro-Reihe ist (außerdem gibt es noch das Handy-Spiel Metro 2033: Wars (2014), also keine Ahnung, wie man richtig zählt, aber es ist mir auch vollkommen egal – das sollen Gasmasken-tragende Metro-Fanboys bei einer Cosplay-Convention entscheiden).

Apropos Fanboys: Alle Figuren in Metro sind heterosexuelle Männer. Im Roman kommen auf über 800 Seiten genau vier weibliche Figuren vor: die tote Mutter, eine kleine Schwester, die aber gleich weggeschickt wird, und vielsagende Blicke zuwerfende Prostituierte an der Station Kitai-Gorod. Später gibt es noch irgendeine Mutter und Ehefrau, ich weiß aber nicht mehr, ob sie tatsächlich auftritt und jemanden nervt oder nur erwähnt wird. Die vierte weibliche Figur ist eine Mutter, die ihr Kind Artjom gegen Geld anbietet in einer Passage, die einen Kindesmissbrauch in Aussicht stellt (der entsetzt abgelehnt wird) und das Elend in der Metro verdeutlicht. Diese letzte Passage ist die einzige, in der eine Frau, eine Mutter, länger vorkommt als in zwei, drei Sätzen.

Die Frau in Metro: The only female NPC with a unique model (laut Fandom-Wiki) im Spiel 2033 ist eine Prostituierte an der Station Rischskaja, die mir ebenso vielsagende Blicke zuwirft und der ich später für einen special price in ihr Metrozimmer folgen kann. Sonst gibt es in 2033 mehrere Versionen des standard female model, das in den Stationen, meistens mit einem Kind, herumsteht. Im Markt der Station Prospekt Mira fragt ein Kind seine Mutter, ob sie ihm noch eine Ratte kaufe, und die Mutter sagt, es habe gerade erst eine Ratte bekommen und Essen sei kein Spielzeug. (Es gibt genau genommen noch eine Prostituierte: wenn man in der Station Exhibition/WDNKh an eine Tür klopft, öffnet ein Mann die Tür einen Spaltbreit und man sieht eine Frau – woher weiß ich, dass sie eine Prostituierte ist? – im Zimmer am Bett sitzen und der Mann sagt, dass er gerade beschäftigt sei, zwinkermoči, und er schließt die Tür wieder; ich weiß also nicht, ob das mit dem unique model tatsächlich stimmt). Aber 2033 ist im Jahr 2010 erschienen und Exodus im Jahr 2019 und 2019 waren die Entwickler schon woke und daher gibt es in Exodus nicht mehr nur freizügige Шлюхи und die unter einem Kopftuch und dicken Kleidern eingepackten Babuschkas, sondern auch Frauen, die für die Handlung relevant sind: zum Beispiel meine Freundin oder Frau Anna. Ein großer Teil der Handlung bezieht sich auf Anna. Ihr Vater und meine Fighter-Bros fordern mich im Zug mehrmals dazu auf, mit Anna – die gleich dort drüben sitzt – endlich viele Kinder zu zeugen. Und es gibt Guil und Olga. Beide schauen geil aus und haben elastisch auf- und abwackelnd modellierte Brüste.

Wem soll das vorgeworfen werden? Dmitri Alexejewitsch, der mit 18 Jahren nur von der Mutter, der kleinen Schwester und von Prostituierten schreibt oder schreiben kann oder schreiben möchte? Wladimir Wladimirowitsch? Du kannst sagen, Metro sei immerhin nicht prüde und an der infantilen Pseudomoral der USA, des Westens, orientiert; warum soll man so tun, als ob es den nackten Körper, den entblösten Busen der Frau oder körperliches Begehren nicht geben würde? Als ob es in einem Banditenturm am postapokalyptischen Kaspischen Meer keinen Strip Club geben würde, in dem nackte und unterwürfige female models von unzivilisierten Banditen beschimpft und geprügelt werden. Es ist ein Elend. Der weibliche Körper im Computerspiel: die Möglichkeit der Wunscherfüllung des Entwicklers, des Spielers und von dir. Der vier Sekunden lange Porno-Clip Anna Miller assfucked by monster - Metro Exodus mit einem female model von Exodus hat 4732 Views zwischen 31. Mai 2019 und Anfang Jänner 2021, also im Durchschnitt sieben Aufrufe täglich.

Ich verbringe die last days 2021, die Tage zwischen den Jahren mit Metro. Abends wird in den Fernsehnachrichten gezeigt, wie Feuerwehrmänner bei Melk einen brennenden „Schienenarbeitszug“ (?) löschen und ich sage, das sehe so aus wie in Metro. In den Fernsehnachrichten wird gezeigt, wie bewaffnete ukrainische Soldaten durch einen Schützengraben in einer Schneelandschaft gehen, und ich sage, das sehe aus wie in Metro.

An einer Stelle in Exodus findet im Zug eine Hochzeit statt. Für die Zeremonie versammeln sich alle Figuren an einer Tafel, zu der die einzelnen Tische des Speisewaggons zusammengeschoben werden. Ich sitze zurückgelehnt mit einer Tasse Kräutertee vor dem Bildschirm schaue zu. Als sich die Figuren zuprosten und dem Paar Glück wünschen, proste ich ihnen mit meinem Tee zu, ваше здоровье.

The future streches before us like an endless Metro tunnel

Ich denke immer noch über Death Stranding nach; es ist arg, dass jemand in den USA vermutlich 30 Millionen Dollar für ein Studium bezahlt, das man mit einem graduate degree in fiction abschließt und dann Video-Essays auf uTube monetarisiert, in denen ein Computerspiel als Heldenreise interpretiert wird. Ich weiß nicht, worum es in Death Stranding geht. Vielleicht geht in dem Spiel, wenn man sich streng nur auf das, was im Spiel passiert, beschränkt, um gar nichts: ein schöne, aber banale Paketzustellsimulation, die aus halbesoterischen Versatzstücken und popkulturellen Referenzen zu einem aufgeblasenen, idiosynkratischen Pseudo-Mythos verschwurbelt wird, der alles & gar nichts bedeuten kann.

Auch in Metro geht es, wenn ich mich streng auf die Handlung des Romans/Spiels beschränke, eigentlich um nichts: Irgendetwas soll zu irgendeinem Ort gebracht werden, damit irgendetwas passiert; was und wozu genau interessiert mich nicht und dich auch nicht. So beschrieben passen Metro und Death Strandung gut zueinander. Auch Metro bietet einen aufgeblasenen Pseudo-Mythos (der zu zahllosen Romanen, Romanfortsetzungen, Computer-, Konsolen- und Handyspielen, Fan-Fictions, Verfilmungen, Serienfassungen usw. ausgeschlachtet werden kann). Aber der Metro-Mythos ist einfacher und zugänglicher als das metaphysische Diesseits/Jenseits-Durcheinander in Death Stranding. In den Metro-Stationen herrschen Ideologien; im Spiel wird das rasch erzählt und im Buch sieht man es schon ganz am Anfang am Metro-Plan im Umschlag: Diese und jene Stationen gehören zur „Hanse“, diese und jene zum „Vierten Reich“ (= Nazis), diese und jene bilden die „Rote Linie“ (= „Kommunisten“). Ich denke, DER AUTOR möchte sagen, dass Nazis, Sowjets, Christen, Satanisten, usw. alle gleichermaßen geblendet sind. Ich halte die Gleichsetzung Nazis = KommunistInnen = ChristInnen = SatanistInnen für fragwürdig und daneben, aber das wäre, was eine ideologiekritische Interpretation von Metro bietet.

Die Metro: eine Parabel auf unser Leben. Jede/r hockt in der eigenen Station, wo man sich mit der Stations-Ideologie anfüttert, moosigen Tee trinkt und an jene Form der Erlösung hofft, die in der eigenen Station eben gilt. Ich schreibe das während der Weihnachtsfeiertage.

Ich frage mich: Hilft mir das dabei, Death Stranding besser zu verstehen? Artjom begegnet auf seiner Heldenreise (?) den verschiedenen Gruppierungen und lernt ihre Überzeugungen kennen. Er ist skeptisch, vielleicht auch einfach nur dumm, und schließt sich keiner Denkrichtung an. In Metro wird die Entstehung (oder zumindest: das Fortleben) der verschiedenen Ideologien durch Isolation auf den mehr oder weniger abgeriegelten Stationen erklärt. Weil sich die BewohnerInnen der Station A nicht mit den BewohnerInnen einer anderen Station B treffen und austauschen, festigt sich auf Station A eine bestimmte Überzeugung; quasi ideologischer Inzest. Nur eine bestimmte Denkrichtung erlaubt das Passieren von einer bestimmten Station zu einer anderen bestimmten Station. Wenn jemand „von außen“ in eine Station kommt, zum Beispiel Artjom (das bin ich), soll diese Person, sofern sie anderen Überzeugungen folgt, konvertieren; wenn sie sich weigert, die eigenen Ansichten zu widerrufen, wird die Person hinausgeworfen, schlimmstenfalls getötet.

Ich frage mich, was wäre, wenn die Menschen der Metro plötzlich wieder an die Oberfläche zurückkehren könnten. Auch in der „wirklichen Welt“ gibt es EsoterikerInnen, SatanistInnen, Neo-Nazis, SektenanhängerInnen. Manche Menschen sind vieles zugleich. Viele verbringen ihr Leben wie in einer isolierten Metro-Station nur mit jenen, die dasselbe glauben. Würden sie zu einer Gemeinschaft zusammenfinden? Ich habe wenig Hoffnung. Die an die Oberfläche zurückgekehrten Metro-Menschen würden geistig wieder ihre Stationen aufsuchen (Telegram als Metro zum Beispiel), sie würden sich aber nicht geistig vernetzen, sondern geistig stationieren und in die Freiheit zurückgekehrt den Feind in allen Richtungen lauern sehen. Siehe Exodus.

Der Autor sagt (lügt), dass es in Metro um Rassismus gehe, seine Geschichte sei eine Parabel auf die Xenophobie. Egal welcher Ideologie du anhängst, es sind immer die Others, die dich bedrohen. Toxische Pommes: Ich muss sagen, ich fahr nicht so gerne mit der U-Bahn, vor allem die U6 ist nicht so mein Ding.

Jede/r hockt in der eigenen Station; mit den Menschen von bestimmten Stationen kommt man aus, mit den Menschen bestimmter anderer Stationen nicht. Als Bewohner der Station Covid-19-Booster kann ich den BewohnerInnen der Station Ungeimpfter Corona-Widerstand nur sagen, geh impfen oder scheißen. Wozu soll ich mich mit diesen Trotteln beschäftigen? Ich habe mit ihnen nichts gemeinsam. Diese Interpretation ist naheliegend und kommt schon im Introvideo von Exodus vor. Mir gefällt das Intro, es ist schön gestaltet. Darin wird die Vorgeschichte von Metro erzählt, als Szenen, die man aus den Fenstern einer fahrenden U-Bahn beobachtet: wie Raketen über Moskau fliegen, wie panische Menschenmassen in die U-Bahn-Stationen laufen, wie die Metro-Stationen besiedelt werden und die Menschen dort leben usw.; diese Szenen werden von einer Erzählstimme (auf Englisch mit russischen Akzent, naja) begleitet: We tried to make the best of what we had, we banded together and worked to make the Metro our new home (ich fahre an jemanden beim Kochen an einem Herd vorbei, an jemanden beim Jonglieren vor Publikum usw.), but, regrettably, the war didn’t kill our bad habits (ich fahren an Männer vorbei, die ihre Hände zum Hitlergruß heben), in the relative safety of our tunnels, corruption festered. Aber die relative safety of our tunnels ist das, worin wir leben, hier & jetzt. Unter uns schwelt das Verderben. So als ob es eine überraschende Metapher wäre, wird in einem Ende von 2033 auch (auf Englisch mit russischen Akzent, naja) gesagt, the future […] streches before us like an endless Metro tunnel.

Da ich immer noch über Death Stranding nachdenke, frage ich mich, ob ich mithilfe von Metro verstehen kann, worum es in Death Stranding geht. Die Spiele haben einige Ähnlichkeiten: Im einen Fall werden Menschen in unterirdischen Metro-Stationen von verschiedenen Gefahren bedroht, im anderen Fall Prepper in unterirdischen Bunkern vom Death Stranding; es gibt Geister statt Mutanten und Zeitregen statt radioaktiver Strahlung. Was wäre, wenn die Prepper aus den Bunkern in Death Stranding plötzlich wieder an die Oberfläche zurückkehren könnten? Die Rückkehr aus den Bunkern an die Oberfläche wäre wohl eine idyllische Gemeinschaft: CosplayerInnen, FilmregisseurInnen und BergsteigerInnen entdecken, dass sie alle gleich sind. Sie könnten einander Geschichten erzählen, ihre Lieblingsprodukte herzeigen und gegenseitig liken. Diesen Verein besitzgeiler Menschen, der ein Ausweg aus der Isolation sein könnte, gibt es in Metro nicht. In den Faschisten-Stationen wird marschiert und deutsche Musik gehört, in der Sekten-Stationen wird angebetet, in den unabhängigen Stationen hocken Gopniks herum, Leute spielen Balalaika oder lesen Bücher in ihren Kämmerchen. Die Stationen in Metro sind verschieden, weil Menschen verschieden sind. Diese verschiedenen Menschen verbindet weder gemeinsamer Konsum noch ein gemeinsamer Wunsch nach Konsum. Sie halten einander für gefährliche Irre, es herrschen Hass, Neid und Misstrauen. Das Leben in der Metro ist elend, es ist ein Dasein в подполье. Das einzige verbindende, das die BewohnerInnen aller Stationen gemeinsam haben, wäre die Bedrohung durch Others, aber das sind nicht die rätselhaften „Schwarzen“ (uff), sondern einfach alle Andersdenkenden. Ich weiß nicht, ob diese Überlegung irgendwohin führt. Vielleicht verlange ich von Metro zu viel. Metro ist nicht einmal ein Rollenspiel, sondern einfach ein Shooter, in dem ich durch Schlauchlevels schleiche und Monster/Nazis abknalle. Menschen sind weder so gleich wie es in Death Stranding gezeigt wird, noch so unterschiedlich wie es in Metro gezeigt wird. Können Menschen, zum Beispiel ImpfbefürworterInnen und ImpfgegnerInnen, PazifistInnen und SoldatInnen, überhaupt zusammenleben?

Der aufgeblasenen Metro-Mythos lässt sich immerhin erfreulich ausschlachten: Stell dir vor, du müsstest in der Metro Pakete zustellen: sinnlose Dinge von Station A durch einen finsteren Tunnel zu Station B transportieren. Durch die Reise von station to station , versteht Artjom, dass alle Menschen, die meinen, frei zu sein, eigentlich gefangen sind, nicht nur in der eigenen Metro-Station, sondern in den eigenen Überzeugungen. Der französische Philosoph René Descartes schreibt im Discours de la méthode (1637), der Abhandlung über die Methode, einem Buch, das ich allen, die es noch nicht gelesen haben, sehr ans Herz lege:

Es ist gut, etwas über die Sitten verschiedener Völker zu wissen, damit wir unvoreingenommener über unsere urteilen und nicht denken, wie es Leute gewöhnlich tun, die nichts gesehen haben, alles, was nicht unseren Gewohnheiten entspricht, sei lächerlich und gegen die Vernunft. […]

Und auf den Reisen […] habe ich erkannt, daß diejenigen, die den unseren ganz entgegengesetzte Ansichten haben, deswegen weder Barbaren noch Wilde sind, sondern viele von ihnen ebensosehr oder mehr als wir die Vernunft gebrauchen. Ich habe in Betracht gezogen, wie unterschiedlich ein und derselbe Mensch mit ein und demselben Geist werden müßte, je nachdem, ob er seit seiner Kindheit zwischen Franzosen oder Deutschen aufgewachsen ist oder immer zwischen Chinesen oder Kannibalen gelebt hat, und wie sehr doch, bis hin zur Kleidermode, dasselbe, das uns vor zehn Jahren gefallen hat und uns in zehn Jahren vielleicht wieder gefallen wird, uns jetzt verrückt und lächerlich erscheint, so daß uns viel mehr Gewohnheit und Beispiel als irgendeine gewisse Erkenntnis überzeugen. […]

In den gesamten folgenden neun Jahren tat ich nichts anderes, als ständig hier und da in der Welt unterwegs zu sein und zu versuchen, dabei mehr Zuschauer als Akteur in all den Komödien zu sein, die sich dort abspielten.

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