Frauen, Männer, Gaming - eine These und ein Plädoyer

Vorweg: Alles was ich schreibe ist subjektiv und ergibt sich aus den Erfahrungen in meiner kleinen Welt.

Einleitung
Es gibt hier ja schon eine Diskussion zum Thema, weil ich aber gerade den Podcast mit @Fabu und Christian Schmidt beendet habe, ist es mir ein Bedürfnis, mich dazu zu äußern. Denn offengestanden, ist es mir völlig egal, welches Geschlecht Inhalte produziert, daher kann ich auch nie verstehen, warum sich die Kommentare nicht mit dem Inhaltlichen befassen, sonden in alle erdenklichen persönlichen Richtungen abdriften. Es ist zum Kotzen.
In dem besagten Podcast wurde auch eine Twitterin zittiert, die darauf hingewiesen hat, dass die Szene deutlich männlich dominiert ist. Finde ich auch. Ich höre Podcasts die sich mit Politik, Sport, Wissenschaft, Gaming und IT befassen, dabei höhre ich fast ausschließlich männliche Stimmen - von weiblichen Gaststimmen abgesehen (das Chaosradio ist hier eine rühmliche Ausnahme). Warum das so ist, weiß ich nicht.
Für mich ist es eine mehr als angenehme Abwechslung, wenn ich eine weibliche Stimme auf die Ohren bekomme. Im Radio will ich ja auch nicht nur Männer hören.

These
Ich habe in den 80ern mit Spielen angefangen. Damals kannte ich keine Mädchen die sich mit Computern beschäftigt hätten, geschweige denn gezockt haben. In den 90ern war das nicht viel anders. In meinem Freundeskreis, damals, wie heute gibt es eigentlich keine Frauen, mit denen ich mal so richtig schön über Games abnerden könnte. Ich kann mich auch nicht erinnern, bei Pen & Paper Abenden auf Mädchen/ Frauen getroffen zu sein.
Wenn ich meine Nichte treffe (sie hat das Licht der Welt Mitte der 90er erblickt), kann ich mal über Spiele reden. Und hier zeigt sich dann auch die Entwicklung. Die Zahl der Spielerinnen und die Zahl der Spielejournalistinnin nimmt erst seit vielleicht 20, 25 Jahren zu. Klar es gibt die Youtuberinnen und Twitcherinnen, aber das sind wenige die sich ein öffentliches Forum suchen.
In dieser vermeintlich männliche Domäne melden sich immer mehr Frauen zu Wort, und es passiert genau das, was in allen anderen Gesellschaftsbereichen auch passiert, wenn Frauen in Männerdomänen eindringen. Sie werden in jeglicher Form von Männern diskreditiert. Entweder über das Aussehen oder ihnen wird die Kompetenz abgesprochen. Meiner Meinung nach, handelt es sich bei diese Raktionen, um einen tief verwurzelten Abwehrreflex. Die dominante Zahl der Männer sieht sich durch die Anwesenheit von Frauen bedroht. Es gibt eine Entwicklung die dazuführt, dass der Ort an dem sich die Magier, Krieger, Soldaten und Sniper, durch Hexen, Amazonen usw. bedroht fühlen. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis keine Äußerlichkeiten diskutiert werden, bis Frauen Dinge sagen können, die bei Männern kritiklos hingenommen werden.

Das Plädoyer
Ich bin immer wieder über mich selbst erstaunt, wenn ich Frauen in Podcasts höre. weil sie oft Dinge sagen, die mir die Augen öffnen. Einfach weil ich die Dinge aus dieser Perspektive nie betrachtet habe. Entweder weil ich es nicht konnte oder weil ich nie auf die Idee gekommen wäre, die Dinge so zu sehen, wie diese freundliche (oftmals unbekannte) weibliche Stimme. Ich wünsche mir also unbedingt mehr Diversität, in Podcasts und im Spielejournalismus.

PS: man sehe es mir nach, das ich nicht konseqeunt zwischen w/d/m getrennt habe.

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schöner Post. Ausführlichere Antwort kommt, sobald ich wieder ein wenig Zeit und Muße habe :grin:

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Ja, diese neue/andere Perspektive finde ich auch immer total cool.
Umso mehr verblüfft mich, auf wie viel Ablehnung das regelmäßig stößt. Ich bin kein Experte auf dem Gebiet Diversität, aber ich finde es gibt da zwei Ausprägungen:

Einmal Diversität im Sinne von „Repräsentation“. D.h. wenn 50% der Medizinstudenten weiblich sind, sollten irgendwann irgendwie auch ca. 50% der Chefärzt*innen Chefärztinnen sein. Völlig logisch. Das ist eine Frage von Gerechtigkeit

Die andere, künstlerisch spannendere Ausprägung ist aber, dass Diversität natürlich auch neue Perspektiven in Spiele/Bücher/Filme bringt.

Und gerade da gibt es diesen großen irrationalen Wiederstand.

Ich mochte z.B. die 2016er Ghostbusters Verfilmung. Einfach weil es eine neue witzige Perspektive in die altbekannte Geschichte bringt. (Und ein Ghostbusteres III hätte wirklich niemand gebraucht, so sehr ich Bill Murray & Co auch schätze)

Aber der Backlash war wohl gewaltig. Die Hass-Wertungen auf IMDB sprechen da eine deutliche Sprache.

Oder krasser noch der „Sad Puppies“ (Link: Wikipedia) Campaign zur Beeinflussng der Hugo Awards für die besten Science Fiction Bücher eines Jahres.

Das war eine Reaktion darauf, dass immer mehr Frauen (oder Gott behühte Schwarze Frauen) Hugo Awards bekamen.
So nach dem Motto: wir wollen Aliens in unserer SciFi, aber die sollen bitte männlich und weiß sein…

Erfreulicherweise hatten die Sad Puppies keinen Erfolg. Seit 2014 gab’s nur einen männlichen Preisträger in der Hauptkategorie „Bester Roman“ (einen Chinesen, für The Three Body Problem).
Lag aber nicht primär daran, dass weibliche Repräsentation hier überfällig war, sondern es waren halt auch echt coole Bücher dabei.

Hier drei Belege dafür: (hat mich zwar keiner nach gefragt, aber da müsste ihr jetzt durch):

  • Ann Leckie’s Ancillary Justice Serie. Über ein Raumschiff das zerstört wird, dessen Raumschiff-Gehirn aber im Körper eines künstlichen Menschen weiterbesteht. Komplett im generischen Femininum geschrieben. Tw. sehr lustig, weil dem Raumschiff-Menschen-Gehirn diese Geschlechter Kiste irgendwie herzlich egal ist. Und er/sie/es dann immer total verwirrt ist, wenn es Sprachen sprechen muss, die das Geschlecht in der Anrede unterscheiden. Weil: man kann das den Personen (insbes. in Raumanzügen) immer so schlecht ansehen, und trotzdem sind die total entsetzt wenn man sie mit dem falschen Genus anspricht. Man kann sich die KI-Panik regelrecht vorstellen :slight_smile:
  • Arkady Martine: „A Memory Called Empire“. Der erste würdige geistige Erbe zu Frank Herbert’s Wüstenplanet von 1965. Komisch warum das für SciFi mehr als 50 Jahre gedauert hat, bei Tolkien ging’s irgendwie schneller. Sicher neben The Expanse mein Lieblings SciFi-Roman der letzten 10 Jahre.
  • Martha Wells’ Murderbot-Diary Novellen. Von einem Security-Roboter aka „Murder-Bot“, der sein „Gehorsamkeits-Modul“ hackt und daher machen kann was er will. Was er will ist dann aber nicht Menschen umbringen, sondern RomComs und andere Fernsehserien schauen. Und natürlich notgedrungen dank eingebauter Terminator-artiger Hardware zum Helden werden. Aber primär stört dass nur beim MedienKonsum…
    (Die erste Novelle All Systems Red kostet als eBook schlappe 2,85. Kann man also gemeinsam mit Vampire survivors zusammen „günstig genießen“. (Und für letzteres kann man noch Voten! :slight_smile: )

Aber wie gesagt: der Backlash war/ist bei Büchern wie bei Filmen gewaltig, wenn Frauen in Männerdomänen einbrechen.
Und mir ist echt nicht klar warum. Also insbesondere dieser irrationale Hass.

Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass das zu großen Teilen ein Internet- bzw Internet-Kommentar-Funktions-Phänomen ist und es in der „echten Welt“ besser aussieht.

Dass kann aber auch daran liegen, dass man es als Mann da einfach nicht mitbekommt. Weil es sich da nicht über offene Aussagen äußert, sondern eher über verdeckte Benachteiligungen.

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Das Argument das man da oft hört ist ja dass man keine Frauen nur wegen der Quote haben will sondern Leute die Ahnung haben, sei das jetzt Politik, Wirtschaft, Information, Unterhaltung oder sonst was. Nur wird dabei gerne ignoriert dass die Männer da oft auch nicht wegen ihrer Kompetenz sitzen. Im schlimmsten Fall würde man oft einen inkompetenten Mann gegen eine inkompetente Frau eintauschen und da ist’s dann auch egal welches Geschlecht jemand hat.

Hatte da auch letztens erst ne Diskussion drüber wegen eines Formates bei den Rocketbeans wo sechs alte weiße Männer über alte Spiele erzählten. Da kam das gleiche Argument auch gepaart damit dass es in deren Redaktion gar keine Frauen gäbe die sich mit Spielen der frühen 2000er auskennen würden und das läge daran dass es diese Frauen gar nicht geben würde. Das war ernsthaft das Argument. Es gab im Jahr 2000 keine Frauen die Videospiele gespielt haben. Wie er darauf kommt? Er würde keine kennen. :roll_eyes: Ja, wundert mich irgendwie gar nicht dass der keine kennt.

Ich denke eher, es müsste heißen: einen inkompetenten Mann gegen eine kompetente Frau …

Das was du weiter unten beschreibst, ist genau dieses Muster. Habe ich in meinem Leben auch schon oft genug erlebt.

Das wäre ja aber der beste Fall, nicht der schlimmste.