Eine Grenze blieb dennoch. „Ein Konzentrationslager von innen spielbar zu machen – das haben wir uns nicht getraut“, sagt Friedrich. Die Schoah zu verschweigen, wie es andere Spiele machen, war aber auch keine Option. Berichte über Konzentrationslager erreichen den Spieler immer wieder, über Zeitungen oder verbündete Widerstandskämpfer. Zu Gesicht bekommt man sie nicht. „Ich hatte den Eindruck, dass es stärker ist, wenn wir die Leute das Bild selbst zu Ende zeichnen lassen.“
»Eine den Opfergruppen angemessene Darstellung des Holocaust ist sicher die größte Herausforderung«, sagt Bastian Dawitz, »das hat der seinerzeit die kritische Diskussion um den Film Schindlers Liste schon gezeigt.« Dawitz ist Teil des Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele, kurz AKGWDS, in dem Akademiker aus verschiedenen Perspektiven auf die Geschichtsdarstellung in Videospielen blicken. »Da braucht es als Entwicklerteam schon eine sehr genaue Vision und Dialogoffenheit, insbesondere in Bezug zu Nachfahren von Opfern«, so Dawitz.
Aus ihrer Sicht hat das mit der Erwartungshaltung des Publikums an die Darstellung eines Vernichtungslagers zu tun, das vor allem von Spielfilmen geprägt ist. »Eine Tendenz ist, dass wir oder vor allem jüngere Generationen, die mit diesen Bildern und diesen starken Narrativen aus dem medialen Gedächtnis aufwachsen, dass wir geneigt sind, Darstellungsästhetiken für Authentizität zu halten«, so Widmann. »Diese sind aber letztlich nicht authentisch, sondern fußen einfach auf unsere Konsumgewohnheiten.« Kurz gesagt: Was wir für eine exakte Nachbildung der Geschichte halten, setzt sich oft aus verzerrten Medienbildern zusammen.
Die Liste, die ihr da bei GAIN erstellt habt, zeigt auch gut anhand von Beispielen, dass Videospiele den Holocaust thematisieren, aber fast immer durch eine fiktionalisierte Linse, die Bilder von Konzentrationslagern und Verfolgung eher referenziert, aber nicht den ganzen Ballast des echten Grauens schultern muss. Postapocalypse-Nazis, Alien-Diskriminierung, Science-Fiction-Apartheid.
Da fällt mir auch Valkyria Chronicles ein, das mit der Bevölkerungsgruppe der Darcsens (und später im Spiel auch Konzentrationslagern) fast wirklich konkret wird, dass es hier um Europäische Jüd*innen geht.
Through die Darkest of Times habe ich schon gespielt. Das fand ich sehr gut umgesetzt. Ich mache mir auch Gedanken wie man diese Ereignisse in jedem Genre umsetzen würde.
Wie wäre es als Action-Adventure oder als Survial-Spiel. Vielleicht auch als Strategie-Spiel?
Wäre ein Assassin’s Creed in dieser Zeit vorstellbar?
Wäre das überhaupt moralisch abnehmbar?
Indiana Jones hatte ja auch diesen Hintergrund. Aber da ging es ja um die Nazis und weniger um den Holocaust.
Ich finde das es zu wenig Spiele zu den Geschehnissen gibt.
Große Kandidaten: Spuren auf Papier, ein Spiel über „Euthanasie“, sowie Forced Abroad (in allen App Stores), ein Spiel über einen niederländischen Zwangsarbeiter (DISCLAIMER: bei letzterem war ich Autor)
Danke für die Eröffnung dieses Threads, trägt er doch auch in einem ‚Gaming‘ Magazin dazu bei, dass dieses Thema nie in Vergessenheit geraten sollte; eine Tendenz, die inklusive zahlreicher fake news zum Thema Drittes Reich immer wieder neu kursieren bzw. instrumentalisiert werden.
Mich würde hierzu die Meinung/Haltung von Holocaust Überlebenden bzw. deren Nachkommen interessieren, ob aus deren Sicht eine solche Umsetzung neben der Aufklärung zum Thema Sinn macht und gleichzeitig den Respekt wahrt.
Eine mögliche „Aufarbeitung“ in einem Videospiel sehe ich allerdings angesichts des unvorstellbaren Leids und der individuellen Schicksale kritisch. Beim Thema Krieg war für mich bereits ‚This war of mine‘ (2014) harte Kost, emotional sehr aufwühlend und ich habe das game nicht weiter gespielt, sicherlich auch, weil ich aus der Familie als kleiner ‚Bub‘ die leidvollen Kriegsgeschichten der Betroffenen in Erinnerung habe - hier ‚gewinnt‘ die Realität gegenüber dem Gaming.
Insgesamt berührt das Thema für mich den Bereich ‚serious games‘ im geschichtlichen und politischen Rahmen, das ja auch mal aufgeriffen werden könnte.
bei uns ist seit längerem ein umfangreicherer Artikelbeitrag einer Expertin zum Thema geplant und bereits zugesagt, urlaubsbedingt dauert es noch etwas.
Liebe Grüße
Muss bzw. sollte der HC überhaupt spielerisch erfahrbar gemacht werden? Wo liegt denn da der Mehrwert? Ich finde es im diesem Punkt fast schon anmaßend eine mittendrin oder sogar täterperspektive einzunehmen.
Das ist die Frage ganz im Kern und ich glaube der Diskurs diese zu beantworten beginnt gerade erst. Grundsätzlich würde ich sagen: Spielbar machen eher nicht, auf gar keinen Fall Täterperspektive. Aber: auf keinen Fall ganz ausklammern. Viele WW2-Strategiespiele schleifen hart an der Grenze zur Holocaustleugnung, wenn man das SS-Truppen durch Osteuropa klickt, ohne zu kontextualisieren, was die da eigentlich gemacht haben. Das Stichwort „saubere Wehrmacht“ ist bei Videospielen auf jeden Fall noch sehr relevant.
Spielbar gemacht im unterhaltenden Sinne wird der Holocaust hoffentlich nicht. Aber ich denke die „neuen“ Medien sollen die Erinnerung aufrecht erhalten auf moderne Weise.
Ist halt ein sehr schmaler Grad zwischen Gedenken, Aufklärung und „Spielspaß“. Aber ich weiß natürlich worauf du hinauswillst und ich gehe auch davon aus, dass sich dem Thema früher oder später gewidmet werden wird.